Wochenbericht 51

Klimaschutz an der Wallstreet

Auf der einen Seite steht die vereinte Front der Klimaleugner, Evangelikalen und anderer ewig Gestriger – angeführt wird sie vom amtierenden US-Präsidenten. Auf der anderen Seite versammeln sich Frauen, junge, erfolgreiche Erwachsene und sehr vermögende Menschen – bereit Verantwortung zu übernehmen. Die einen Feiern das Scheitern der Klimakonferenz in Madrid als Erfolg. Die anderen sind aber mitnichten machtlos. Nicht mehr.

(Stuttgart, 21.12.) Es ist wohl die prägnanteste Entwicklung des Jahres 2019: Die Finanzmärkte wenden sich ab von Investitionen in die fossile Welt. Das jüngste Beispiel: die sehr konservative britische Standard Chartered, eine Bank, die in Schwellenländern tätig ist, kündigte am Donnerstag ihren Ausstieg aus der Finanzierung von drei Kohlekraftwerksprojekten an. Der Grund ist einfach: Die Refinanzierung wird immer teurer, die Bank verliert mit derartigen Engagements selbst den Zugang zu preiswertem Geld und verspielt ihre eigene Zukunft.

Standard Chartered ist Teil einer inzwischen sehr breiten Bewegung. Goldman Sachs verkündete Anfang Dezember stolz, dass man sich aus sämtlichen Finanzierungen von Kohlekraftwerken zurück gezogen habe – es sei denn, es kommen Technologien zur Reduzierung des Kohlendioxidausstoßes zum Einsatz. Zusätzlich verkündete die Bank, 750 Milliarden US-Dollar in Projekte zu investieren, die dem Klimaschutz dienen.

Neues Selbstbewußtsein bei Anlegern

In der Vergangenheit kam ein Kunde im Private Banking zu seinem Kundenberater und unterbreitete seinen Wunsch, das Geld nachhaltig anzulegen. Der Bankmitarbeiter holte dann einen Stapel von geeigneten Produkten hervor, aus denen geeignete Investments ausgewählt wurden.

Heute fragen gerade vermögende Kunden, was die Bank selbst im Bereich Nachhaltigkeit tut, ob sie Kredite an Unternehmen vergibt, die nicht nachhaltig arbeiten, wie sie sicherstellt, dass Kundengelder nicht für klimaschädliche Investitionen verwendet werden. Es geht nicht um Kunden der GLS-Bank, sondern um Anleger bei Morgan Stanley, Goldman Sachs, oder Bank of America, usw. Gemäß Moral Money, einer auf Nachhaltigkeit spezialisierten Kolumne der Financial Times, ist dies 2019 in den USA zum Mainstreet-Thema avanciert.

Das geht so weit, dass Kunden ihre Investitionsentscheidungen weniger an den Produkten festmachen, die die Bank für die Investments vorschlägt, also der Expertise der Mitarbeiter, sondern an der Reputation des Kreditinstituts, die wiederum am Engagement für Nachhaltigkeit gemessen wird.

Ultra-wealthy families are turning up the heat on Wall Street banks that finance fossil fuels

lautete die Schlagzeile des Moral-Money Newsletters zum Jahreswechsel. Aus Anlegersicht kann die Botschaft kaum deutlicher formuliert werden.

  • Das Smart Money kehrt zurück an den Finanzmarkt.
  • Geld fließt gezielt in nachhaltige Projekte.
  • Es handelt sich nicht um spekulative Engagements sondern um langfristige Investitionen.

Die Woche an den Finanzmärkten

  • Smart Home Devices. Sie reagieren auf Siri, _Alexa oder schlicht Google, sprachgesteuerte Lautsprecher der US-Internetgiganten. Sie stehen in den Wohnräumen und warten auf Kommandos der Bewohner. »Wie ist das Wetter«, »Wann fährt der nächste Bus« oder »Wann kommt Papa nach Hause« sind beliebte Fragen. Zweites Einsatzgebiet ist die Steuerung der Haustechnik: »Öffne die Tür für unsere Gäste«, »Rolläden runter!« oder auch »5 Minuten Lüften«. Bislang kommunizieren die Smart Home Devices nur mit bestimmten Steuerungsgeräten, gibt es mehrere, konkurrierende Protokolle.

    Nun haben sich Apple, Amazon und Google auf das Kommunikationsprotokoll der Zigbee Alliance als gemeinsame Basis verständigt. Hinter Zigbee, stehen mehrere Duzend Firmen, darunter Global Player, wie Samsung, Ikea und Comcast. Das Nachsehen haben die alternativen Netzwerke, Z-Wave und die energieeffizienten EnOcean und endiio-Lösungen. Mit Zigbee hat sich ausgerechnet das energieintensivste System durchgesetzt. Immerhin ist der Standard selbst Open Source.

    Zukünftig sind Smart Home Devices untereinander kompatibel. Sprachsteuerung geht nur, wenn man akzeptiert, dass »Big Brother« zuhört. Die Branche erwartet Wachstumsraten von 14 Prozent pro Jahr.

  • Argentinien: Default. Am Freitag waren Zinszahlungen über 67 Millionen US-Dollar fällig. Betroffen sind Staatsanleihen im Umfang von 9 Mrd. $. Das Finanzministerium bat die Gläubiger um einen Zahlungsaufschub bis zum 31. August 2020. Am 23. Dezember werden nochmals Zinszahlungen über 280 Millionen US-Dollar für kurzfristige Staatsanleihen fällig.

    Dies ist der zweite Zahlungsausfall. Als Mauricio Macri die Vorwahlen im September verloren hatte und der Peso massiv an Wert verloren hatte, setzte die Regierung die Zinszahlungen erstmals aus. Die Rating Agenturen bewerten das Land seitdem als »Restricted Default« oder »Default« (Moody’s: C; S&P, Fitch: RD). Mit der Wiederholung des Zahlungsverzugs wird eine Herunterstufung auf »D« wahrscheinlich.

    Niemand rechnet damit, dass die Zinszahlungen im August wieder aufgenommen werden. Man schaut vielmehr auf den IMF, der dem Land 57 Mrd. $ geliehen hat. Bislang galten IMF-Kredite als unantastbar, noch niemals hat ein Land es auf einen Zahlungsausfall bei diesem Gläubiger ankommen lassen. In diesem Zusammenhang stehen auch die jüngsten Steuererhöhungen, die die neue Regierung am Freitag hektisch verabschiedet hat. Die anvisierten Zusatzeinnahmen sollen den IMF besänftigen. Wie mit den restlichen Staatsschulden in Höhe von 275 Mrd. $ verfahren wird, ist völlig offen.

    Der Leitzins beträgt derweil 58 Prozent pro Jahr. Trotz des Zahlungsausfalls gelang es der Zentralbank in der vergangenen Woche, eine Zinssenkung um 5 Prozent durchzusetzen. Dies ist eine der ganz wenigen, positiven Nachrichten aus der zweitgrößten Volkswirtschaft Lateinamerikas.

  • Daimler wird chinesisch. Die Beijing Automotive Group (BAIG), ein chinesisches Staatsunternehmen, wird nach Geely der zweite chinesischer Großinvestor. Geely ist seit Februar 2018 mit 9,7 % an Daimler beteiligt. Das chinesische Privatunternehmen hat 2007 Volvo und danach viele andere Automobilfirmen gekauft. Die Beteiligung bei Daimler führte u.a. zur Entscheidung, zukünftig Smart-Kleinwagen nur noch in Asien zu bauen.

    BAIG hat im Juli eine Beteiligung von 5 % aufgebaut. Zum Jahreswechsel wollen Spekulationen, BAIG würde seine Beteiligung auf 10% verdoppeln, nicht verstummen. Daimler selbst begrüßt ein stärkeres Engagement des chinesischen Staatskonzerns. Schließlich hält man selbst 9,6 % an BAIG Motor (Hongkong) und 3 % an BluePart, einer E-Mobility BAIG-Tochter.

    Beteiligungen unterhalb einer Schwelle von 10 Prozent unterliegen keiner Regulierung. Was aber, wenn die chinesischen Großaktionäre gemeinsam die Interessen des chinesischen Staats vertreten und diese vereint durchsetzen?

    Daimler selbst ist auch an BYD beteiligt, dem führenden E-Auto- und E-Bus-Hersteller Chinas. Gemeinsam entwickelt man Elektrobusse, die auch in die USA verkauft werden sollen. Darin verbaut sind Huawei-Komponenten. Das wird mehr und mehr zu einem Problem. Daimler könnte deshalb sogar zum Battleground im Handelskrieg werden. Der chinesische Botschafter in Deutschland machte bereits einen Aufschlag: Sollte sich Deutschland der US-Strategie gegen Huawei anschließen, würde man seine Beteiligungen an deutschen Automobilkonzernen spielen lassen.(Quelle: Economist. 18.12). Revolutionäre Zeiten in Untertürkheim.

  • Uber: Kalanick verkauft alle Aktien. Seit Oktober können Altaktionäre frei über ihre Aktienpakete verfügen. Travis Kalanick, der Gründer und frühere CEO, hat seitdem fast alle Aktien veräußert, obwohl der Preis seit dem Börsengang um 30 Prozent gefallen ist. Er wendet sich neuen Projekten zu. Das Geld geht größtenteils in das StartUp CloudKitchens, ein Online Essensbestell- und Lieferdienst, der gerade in Asien und Europa expandiert. Auch Prosus, die Ausgliederung der südafrikanischen Beteiligungsgesellschaft Naspers, setzt aggressiv auf dieses Geschäftsfeld.