Wochenbericht 48

European Green Deal

Massive staatliche Investitionen sollen Zukunftstechnologien zum Durchbruch verhelfen. Bricht nun ein goldenes Zeitalter für renditestarke, nachhaltige Investments an oder ist dies eine der üblichen PR-Maßnahmen frisch inthronisierter Politiker?

(Stuttgart, 30.11.) Selten war die politische Klasse so geeint. Grüne, SPD, Linke und CDU fordern unisono einen Green Deal und schauen intensiv nach Brüssel. Tatsächlich verbreitet die neue EU-Kommission Optimismus und Aufbruchsgeist. Das vermisst man besonders in der Bundesrepublik schmerzlich.


Aktualisierte Fassung verfügbar! –> The Europrean Green Deal


Rahmenbedingungen

Die Pariser Klimabeschlüsse definieren den Rahmen der gewünschten Transformationsprozesse. Der Handlungsrahmen der Nationalstaaten ist aus verschiedenen Gründen begrenzt. Anstatt, wie in der Vergangenheit, über Steuervergünstigungen oder Subventionen eine Lenkungswirkung zu entfalten, setzt man nun auf das Duo EZB und EIB.

Die Europäische Zentralbank(EZB) flutet die Kapitalmärkte weiterhin über Anleiheaufkäufe mit Liquidität. Die Europäische Investitionsbank(EIB) wurde bereits von den Staaten der EU mit Eigenkapital ausgestattet. Sie trägt ein AAA-Rating und kann den Kapitalmarkt über die Ausgabe von Anleihen zum Nulltarif anzapfen. Politisch gewollt finanziert die EIB Zukunftsprojekte zu Superniedrigzinsen. So gelingt es, auf europäischer Ebene risikobehaftete und/oder wenig rentable Projekte haushaltsneutral auf den Weg zu bringen, das ist zumindest die Theorie.1

Funktionsweise des Green Deals

Konsequenzen für Anleger

  • Kapitalerträge von Anleihen ohne Währungsrisiko werden auf absehbare Zeit niedriger sein, als die Inflationsrate.

    Der Green Deal ist ein Konjunkturprogramm, dass auf die Emission von Staatsanleihen verzichtet. Es fußt auf der Bonität paneuropäischer Institutionen. Die Wirkung entfaltet sich über eine permanent angelegte Absenkung des Nominalzinses über das gesamte Laufzeitsprektrum von Anleihen. Dies strahlt auf den gesamten Kapitalmarkt aus.

  • Dividendenrenditen sinken

    Auf den ersten Blick können Unternehmen, die ihre Zukunftsinvestitionen sehr preiswert über die EIB finanzieren können, Erträge in größerem Umfang an Gesellschafter und Aktionäre ausschütten. Auf den zweiten Blick existiert eine Konkurrenz zwischen Eigen- und Fremdkapital. Sinken die Renditen für Fremdkapital, folgen die Eigenkapitalrenditen diesem Trend unmittelbar. Anders ausgedrückt: Der Renditeaufschlag für Eigenkapitalengagements beträgt unabhängig vom Zinsumfeld etwa zwei Prozent. Sinkende oder nachhaltig geringe Dividendenrenditen sind eine unmittelbare Konsequenz eines erfolgreichen Green Deals.2

  • Wachstumsstory wird wichtiger

    Der Green Deal gestattet es Unternehmen, die Ausschüttungen an Aktionäre und Gesellschafter zu senken und statt dessen Zukunftsinvestitionen zu tätigen. In dieser Hinsicht wirkt er wie ein klassisches Konjunkturprogramm.

Auskömmliche Renditen werden nur noch über steigende Marktpreise erzielt. Man muss also spekulieren.

Die Wirkung des Green Deals auf den Klimawandel sind entgegen der Rhetorik der Politiker nicht vordergründig. Man kann Transformationsprozesse anstoßen, muss es aber nicht. Andere Auswirkungen sind weniger offensichtlich, dafür aber vermutlich nachhaltiger.

Paneuropäische Staatsanleihe und Redefinition des Euro?

Der 26. Februar 1794 gilt heute als Geburtsstunde moderner, nicht edelmetallgedeckter Währungen. Zur Finanzierung der Koalitionskriege entband das britische Parlament die Bank of England von der Verpflichtung, Banknoten stets in Münzen einwechseln zu müssen.

Geld im britischem Empire

Die EZB der Gegenwart gleicht einer Bank of England, die vor 1794 im wesentlichen die Finanzierung der königlichen Familie sicherzustellen hatte. Im Duett mit der EIB schlüpft die EZB nun in die Rolle der modernen Bank of England mit deutlich erweiterten Rechten.
Hieronymus stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, ob der Green Deal die Tür für gemeinschaftliche europäische Staatsanleihen aufstoßen soll. Bisher war hierfür die Existenz einer Bankenunion als Voraussetzung angesehen worden, gegen die sich bekanntlich insbesondere die Bundesrepublik wehrt.

Das Oberthema Klimaschutz, bei dem die Nationalstaaten unisono versagen, hätte das Potenzial, die europäischen Strukturen aufzuwerten, einschließlich der Frage gemeinschaftlicher Staatsanleihen. In diesem Sinne: Chapaeu Frau Leyen.

Die Aufwertung der EIB könnte ein Testballon für eine zukünftige Ausgabe europäischer Staatsanleihen sein. Dies wertet die europäischen Institutionen und die Stellung der Eurozone im globalen Kapitalmarkt auf und ist positiv für den Außenwert des Euro und die Attraktivität des europäischen Kapitalmarkts als Ganzes.

Die Woche an den Finanzmärkten

  • Konsumabhängige US-Konjunktur. Ein typischer Konjunkturzyklus beginnt mit der Erwartung innovativer Unternehmer, durch Investitionen Wettbewerbsvorteile zu erschließen. Später erntet man durch die Ankurbelung des Konsums die Früchte. Je reifer ein Konjunkturzyklus, desto höher ist der Anteil des Konsums am Bruttoinlandsproduke(BIP).

    In den USA steuert der Konsum 70 Prozent zum BIP bei. Am Freitag veröffentlichte die US-Statistikbehörde das revidierte Q3-Wachstum: +2,1 % gegenüber dem Vorjahr. Damit setzt sich der Abwärtstrend fort. Der Wachstumsrückgang ist jedoch geringer, als vom Kapitalmarkt erwartet, entsprechend positiv war die Marktreaktion. Auch für 2020 gehen die Analysten von weiter rückgängigen Wachstumsraten aus.

  • Wirtschaftsabschwächung Indien. Vor einem Jahr wies Indien ein Wachstum von 5,0 Prozent aus. Das war angesichts des raschen Bevölkerungswachstums bereits wenig. Das Ziel der Regierung: 8 %, die Prognose der indischen Notenbank für 2019: 6,9%. Im Q3 2019 ist das Wirtschaftswachstum auf 4,5 % gefallen. Das Land leidet unter einer veritablen Bankenkrise. Schlüsselbereiche, wie Immobilien und Automobil und insbesondere kleinen und mittelständischen Unternehmen gelingt es kaum noch, finanzierbare Kredite zu erhalten. Die Regierung hält keynsianisch mittels eines Konjunkturprogramms und Steuersenkungen dagegen. Die indische Notenbank hat den Leitzins in fünf Schritten um 1,35% auf 5,1 % gesenkt.

  • Daimler und Audi streichen je 10.000 Stellen. Zum Jahresende häufen sich die Ankündigungen massiver Stellenstreichungen. Im September hatte Continental die Entlassung von 20.000 Mitarbeitern bekannt gegeben. Daimler erklärt unter der neuen Führung jetzt auch öffentlich, dass die Jobgarantie für Mitarbeiter in der Produktion bis 2029 problematisch ist. Der Kostenblock von 19 Mrd. € pro Jahr allein für Arbeitslöhne will angesichts sinkender Absätzprognosen gestemmt werden. Ola Källenius deutete an, mit den Gewerkschaften über flexible Arbeitszeitmodelle verhandeln zu wollen.

  1. Das Konzept dieser Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen stammt ursprünglich aus den USA. Innerhalb der demokratischen Partei wird dies im Vorwahlkampf ähnlich diskutiert. Details finden sich im Policy Tensor Blog

  2. Die absoluten Ausschüttungen sinken nur in Ausnahmefällen. Dividendenrenditen sinken auch, wenn sich die Marktkapitalisierung erhöht, die Dividende jedoch konstant bleibt.