Der drastische Preisverfall (bzw. der heftige Renditeanstieg) ist nicht auf Österreich beschränkt. US-Staatsanleihen mit 30 Jahren Laufzeit handeln inzwischen bei 4,3 Prozent. Vor einem Monate musste man noch 3,6 % Rendite akzeptieren, das entspricht einem Preisverfall um 21 Prozent.
Der Chart zeigt eine nochmalige Erhöhung der Dynamik des Renditeanstiegs.
In den USA sind es nicht die Marktzinsen allein, die Anleihenrenditen in die Höhe katapultieren.
Normalerweise können jederzeit beliebige Summen in Staatsanleihen angelegt oder wieder gegen USD getauscht werden. Angebot und Nachfrage treffen auf prall gefüllte Orderbücher. Der eigentliche Handel bewirkt keine Preisveränderung. Gemäß einer Untersuchung von JP-Morgan ist das Volumen des Orderbuchs bereits seit einigen Monaten im Krisenmodus. Mit Blick auf die Markttiefe müssten bei der FED die Lampen eigentlich ständig rot flackern, jede krisenhafte Entwicklung erfordert unmittelbar ein Einschreiten der Notenbank. Ansonsten drohen »britische Verhältnisse«.
Auch in Europa sind die Markttiefen offenbar drastisch zurückgegangen. Am Dienstag rief die niederländische Notenbank die dortigen Pensionskassen auf, ihre Liquidität aufzustocken. Die dortigen Pensionskassen haben sich, ähnlich wie die britischen Pendants, mit Derivaten gegen Zinsrisiken, aber nicht gegen Preissprünge bei Staatsanleihen, abgesichert. Dies führte in Großbritannien zu großvolumigen Margin-Calls und Panikverkäufen von britischen Staatsanleihen.
Es ist unklar, ob die anlaßlosen, deutlichen Preisanstiege bei Anleihen Verkaufsprogrammen von Pensionskassen zuzuordnen sind. Höchstwahrscheinlich haben sich Hedgefunds in den Prozess »hineingehängt«. Ihre Marktaktivitäten treiben die Preise, die Pensionskassen müssen ihre Bestände trotz massiv gesunkener Marktpreise reduzieren. Sie verkaufen an Hedgefunds, die im Zuge des Prozesses ihre Short-Positionen mit hohen Erträgen schließen können.
Mit Blick auf den Chart in Abb. 2 stellen sich zwei Fragen. Erstens: wie lange kann die aktuelle Preisdynamik noch durchgehalten werden und zweitens: Welche Ereignisse könnten die Vorsichtsmaßnahmen der Pensionskassen nachträglich rechtfertigen.
Die erste Frage kann relativ leicht beantwortet werden: Nachdem Hedgefunds die Risikopositionen der Pensionskassen absorbiert haben, sind Marktrisiken größtenteils abgebaut. Die Marktpreise sollten wieder die Zinserwartungen der Notenbanken abbilden. Der zweiten Frage kann man sich nur spekulativ nähern. Fakt ist aber: Falls es zu Marktverwerfungen kommt, wären weitere Zinserhöhungen Utopie. Höchstwahrscheinlich leitet eine solche Marktverwerfung einen neuen Zinssenkungszyklus ein – was dann deutlich steigende Marktpreise für langlaufende Anleihen nach sich zieht.
Fazit: Mit einem Zeithorizont von mindestens 12 Monaten sind langlaufende Staatsanleihen aktuell ein klarer Kauf. Man muss sich allerdings bewußt sein, dass man gegen einen sehr dynamischen, völlig intakten, stabilen und langfristigen Trend ankauft.
Die Rendite japanischer Staatsanleihen (10 Jahre) notierte vor einem Jahr bei 0,1 %. Aktuell weisen die Anleihen eine Rendite von 0,255 Prozent aus und ist seit Mai 2022 konstant. Anleihen mit 30 Jahren Laufzeit notierten vor einem Jahr bei 0,7 %; deren aktuelle Rendite: 1,58 %. Die Preisbildung der Anleihen mit 30 Jahren Laufzeit folgt Angebot und Nachfrage, bei Anleihen mit einer Restlaufzeit bis 10 Jahren legt die japanische Notenbank den Preis fest und setzt diesen mittels Interventionen durch.
Die Preisanpassung japanischer Staatsanleihen geschieht stattdessen am Währungsmarkt. Eine Abwertung der Währung impliziert die Preissenkung japanischer Staatsanleihen. Nach der Logik der Finanzmärkte kann die japanische Notenbank entweder den Leitzins anheben und ihre Kontrolle über die Anleihenrenditen aufgeben oder der Yen muss die Anpassungslast durch überproportionale Abwertungen tragen. Der Yen hat seit Jahresbeginn gegenüber dem USD fast 30 Prozent an Wert verloren, der Euro »nur« 15 Prozent. Seit dem Frühjahr 2020 hat der Yen um sagenhafte 45 Prozent gegenüber dem US-Dollar abgewertet.
Am Freitag hat die japanische Notenbank ein zweites Mal am Währungsmarkt interveniert. Die erste Intervention nach dem Überschreiten der Marke von 140 Yen pro Dollar verpuffte wirkungslos. Als das Währungspaar die Marke von 150 Yen pro Dollar überschritten hatte, griff die Notenbank wieder ein.
Nachdem sich die Finanzmarktakteure in Großbritannien durchgesetzt haben und die Regierung aus dem Amt gefegt ist, wendet man sich nun Japan zu. Der Yen ist die dritt-meist gehandelte globale Währung. Eine Kombination aus Protektionismus, Überalterung und Rohstoffarmut macht das Land empfindlich für externe Schocks. Der starke Preisanstieg fossiler Energierohstoffe wirkt – anders als in den USA – in Japan nicht inflationär. Die gestiegenen Produktionskosten werden teilweise innerhalb der Lieferketten absorbiert. Sinkende Nachfrage und steigende Autarkie tun ein Übriges.
Das Land hat eine lange Erfahrung mit einer stark schwankenden Währung. In der exportorientierten Wirtschaft ist der US-Dollar die maßgebliche Währung. Die Unternehmen haben sich (genauso wie die hiesigen Firmen) aber primär auf eine starke Heimatwährung eingestellt und lohnintensive Geschäftsprozesse ins Ausland verlagert. Wenn nun erstens die Inflation in den Partnerländern höher ist als in Japan, zweitens die Arbeitslöhne dort stärker anziehen und drittens wegen steigender Frachtkosten die Grundkosten der globalisierten Fertigung stark steigen, ist das der perfekte Tsunami.
Trotzdem korreliert der japanische Aktienmarkt perfekt mit dem US-Markt.
Aus der globalen Perspektive sind japanische Unternehmen wechselkursbedingt seit dem Frühjahr 2020 um 45 Prozent preiswerter geworden, als die us-amerikanischen Pendants.
Japan schafft sich eine perekte Stabilitätsillusion!
Für die Einwohner Tokios hat sich seit 2019 nichts verändert. Die Löhne sind gleich geblieben, es gibt Arbeit im Überfluß, im Supermarkt sind die Preise nur minimal gestiegen, auch die Immobilienpreise sind konstant. Sie dürfen nur nicht ins Ausland. Dort ist alles inzwischen doppelt so teuer geworden.
Die Interventionen der Bank of Japan zugunsten des Yen zeigen die Grenzen des derzeitigen Kapitalmarktregimes auf. Die japanische Notenbank ist offenbar der Ansicht, dass weitere Abwertungen des Yen die Stabilitätsillusion zerstören würden. Nun wird eine andere Rechnung aufgemacht: Was kostet es, den Außenwert des Yen zu stabilisieren und welche volkswirtschaftlichen Schäden entstehen bei einer weiteren Abwertung?
Nach der Intervention am Freitag sank der Kurs des Yen von 150 auf 147.50 pro Dollar. Im August handelte das Währungspaar bei 135 Yen/Dollar. Eine Anpassung der Notenbankpolitik an den globalen Zinserhöhungstrend steht in Japan weiterhin nicht auf der Agenda. Das ist es aber, was die Finanzmarktakteure sehen wollen. Solange sich die japanische Notenbank widersetzt, dürfte der Druck auf den Yen anhalten, die Finanzmärkte treiben den Preis für die Stabilitätsillusion in Japan immer weiter in die Höhe.