Das Ergebnis überraschte. Waren im März 75 Prozent der Befragten der Meinung, die Wirtschaft würde sich weiterhin dynamisch entwickeln, war jetzt nur noch Ein-Fünftel dieser Meinung. Wie dramatisch dieser Stimmungswandel ist, zeigt ein Chart dieser Frage seit 2008.
Ungeachtet dessen, halten diese Marktteilnehmer an aufgebauten Aktien-Positionen fest.
Die Umfrageteilnehmer wurden zusätzlich danach gefragt, wie sie die Gewinnentwicklung börsennotierter Unternehmen einschätzen.
Die Aussagen decken sich mit der Einschätzung zur konjunkturellen Entwicklung oben: Auch die Gewinnerwartungen sind im freien Fall. Die Bank of America geht soweit, hieraus eine Indikation für eine übergeordnete Top-Bildung am Aktienmarkt abzuleiten. Dies ist in der Abb. 2 kenntlich gemacht.
Obwohl einige Gewerkschaften öffentlichkeitswirksam hohe Lohnabschlüsse erwirken konnten und die Inflations-Statistiken eindeutig sind, sinken in der Eurozone die Stundenlöhne (Labor price Index). Die Daten von Eurostat gleichen den hier abgebildeten nationalen Daten aus Frankreich.
Die Erhebung hat einen Verzug von etwa drei Monaten. Die Lohnentwicklung könnte den Einschränkungen aus dem Frühjahrslockdown geschuldet sein. Sie zeigt deutlich, dass das Narrativ aus den USA, wonach Unternehmen händeringend nach (wenig qualifizierten) Mitarbeitern suchen, in Europa nicht zutrifft.
Am vergangenen Freitag verfielen Optionen und Futures (Großer Verfall, Hexen-Sabbat). Saisonal fällt die dritte September-Woche mit einem Low an den Aktienmärkten zusammen. Danach beginnt die volatile Herbst-Rallye.
In diesem Jahr gingen die Notierungen über die Sommermonate kaum zurück. Sollten die Marktpreise ab jetzt steigen, würde sich die Divergenz zwischen der Erwartungshaltung der Marktteilnehmer und deren tatsächlichen Positionierung nochmals ausweiten. Wie lange dies wohl gut geht?
Die US-Finanzaufsicht erhöht den Druck auf die Crypto-Industrie massiv. Stand in der vergangenen Woche noch Coinbase mit seinem Zinsprodukt Lend im Fokus, so ist jetzt das Celsius-Netzwerk an der Reihe.
Celsius ist im Juni 2021 aus England in das US-Steuerparadis Delaware geflohen. Man sah keine Chance, sein Geschäftsmodell bei der britischen Finanzaufsicht (FCA) registrieren zu lassen. Aber auch in den USA ist Celsius nicht wirklich willkommen. Bereits im Mai hatte die Finanzaufsicht in Texas Celsius informiert, dass die angebotenen Produkte mit lokalen Bestimmungen unvereinbar seien. Celsius bewarb seine Zinssparbücher weiter. Bisher duldete Texas dies.
Am Freitag untersagte die Finanz-Aufsicht aus New Jersey Celsius den Vertrieb nicht genehmigter Finanzprodukte. Texas setzte zeitgleich ein öffentliches Hearing an. Die Werbung für Zinsprodukte ist bis dahin untersagt. Texaner dürfen die Produkte aber weiterhin nutzen.
Das die US-Finanzaufsicht ausgerechnet Zinssparbücher ins Vezier nimmt, ist kein Zufall. Das Geschäftsmodell von Celsius ähnelt auffallend dem der albanischen Schattenbanken. Deren Zusammenbruch führte dort geradewegs in eine Rezession.
Celsius muss die Frage beantworten, wieso der bloße Wechsel von US-Dollar-Noten in Stable-Coins, die 1:1 an den US-Dollar gekoppelt sind, und das Versprechen des Kunden, das Geld für 3 bis 12 Monate nicht anzurühren, einen Renditeanspruch von 8 Prozent im Jahr rechtfertigt.
Nach dem 24. September müssen alle koreanische Krypto-Handelsplattformen eine Lizenz der Finanzaufsicht(FSC) besitzen. Die FT schätzt, dass nur 20 der aktuell 60 Handelsplattformen die Kriterien erfüllen werden.
Bereits im Mai verfügte die FSC, dass die Krypto-Handelslattfromen entweder ein Joint-Venture mit einer Bank eingehen müssen oder selbst eine Banklizenz beantragen. Damals konkurrierten 200 Marktplätze um die Gunst koreanischer Spekulanten. Dies bewirkte eine deutliche Marktkonsolidierung. 90 Prozent des Handels wird inzwischen von vier Unternehmen abgewickelt: Upbit, Bithumb, Korbit und Coinone.
Der koreanische Kryptomarkt ist nach den USA und Japan der weltweit drittgrößte. Es gibt 42 Kimchi Coins, Kryptowährungen, die fast ausschließlich in Korea gehandelt werden. Gemäß der FT erfolgt 90 Prozent des Handels mit Kryptowährungen in Korea in diesen Produkten. Die »Marktkapitalisierung« der Kimchi Coins: 2,6 Mrd. $ (3 Billionen Won).
Die von der Schließung bedrohten Crypto-Handelsplätze verlangen für eine Kontoeröffnung keine Identitätsnachweise. Einige Kimchi-Coins werden exklusiv auf diesen anonymen Plattformen gehandelt. Bis Freitag (17. Sept.) mussten die Handelsplätze ihre Kunden darüber in Kenntnis setzen, dass sie ab dem 24. September keinen Zugriff mehr auf ihre Kimchi-Coins haben und diese auch nicht mehr zu Won swappen können. Dort geparkte Schwarzgelder sind entweder verloren oder müssen unter extremen Zeitdruck über Umwege zurückgetauscht werden. Das ist jedoch schwierig, zum einen: Wer kauft einen dem Untergang geweihten Kimchi-Coin, zum anderen: wer zahlt die anonymen Guthaben aus?
Die FSC informierte auch die großen internationalen Kryptobörsen über die Veränderungen in Korea. Diese reagierten prompt. Um möglichen Geldwäschevorwürfen einen Riegel vorzuschieben akzeptiert beispielsweise Binance, der global größte Crypto-Handelsplatz, seitdem keine Ein- und Auszahlungen in Won. Damit verzichtet der größte Crypto-Handelsplatz auf mindestens 5 Prozent seines Umsatzes. Koreanische Banken und deren Crypto-Partner stehen unter intensiver Beobachtung und fallen ebenfalls als Intermediäre für einen Swap in Won aus. Es scheint, als ob sich die FSC auf ganzer Linie durchgesetzt hat.
Fazit. Es vergeht kaum eine Woche, in der die Regulierungsbehörden dem Krypto-Handel keine neue Auflagen machen. Auf der einen Seite öffnet dies den Kryptomarkt für institutionelle Marktteilnehmer. Wer sich bisher im Glauben engagiert hat, anonym handeln zu können, sieht sich immer stärkerem Gegenwind ausgesetzt. Dies ist strukturell positiv für das Marktsegment, begrenzt jedoch auch das Preispotenzial von Krypto-Engagements. Hieronymus sieht sich in seiner Auffassung bestätigt, dass umweltfreundliche Kryptowährungen perspektivisch weniger volatil sein werden und als Inflationshedge eingesetzt werden können.
Voraussetzung hierfür: Der Crypto-Markt ist kein Ponzi-Schema und die Geschäftsmodelle der hauptsächlich auf der Ethereum-Blockchain basierenden dezentralen Organisationen erwirtschaften tatsächlich einen Mehrwert.
Die aus der Perspektive der Kommunistischen Partei Chinas (CCP) überaus erfolgreiche restriktive Politik zur Eindämmung der Corona-Pandemie strahlt inzwischen massiv in andere Bereiche aus. Die Auswirkungen auf den Kapitalmarkt sind unübersehbar.
Der Immobilienmarkt in China ist chronisch überschuldet, Berichte über einen drohenden Kollaps irritieren Wohnungskäufer seit mindestens drei Jahrzehnten. Nun steht Evergrande, der größte Immobilienentwickler Chinas, unmittelbar vor der Insolvenz.
Der Immobilienmarkt gehorcht nur eingeschränkt kapitalistischen Prinzipien. Das Marktsegment ist als Wertspeicher für die stark alternde Gesellschaft ohne funktionierendes Sozialsystem wichtig, ggf. sogar systemrelevant. Der Sektor umfasst ein Viertel der Marktkapitalisierung öffentlich gehandelter Aktiengesellschaften in China. Es ist undenkbar, dass die Kommunistische Partei Chinas (CCP) es zulässt, dass ein Dominostein den Markt destabilisiert.
Exakt dieses Narrativ prägte bis zur Lehman-Pleite auch den US-Amerikanischen Subprime-Markt. Um so größer war der Schaden, als das Undenkbare eintrat und US-Immobilienkredite tatsächlich massenhaft ausfielen.
Evergrande ist massiv verschuldet (>300 Milliarden USD). Das bietet der CCP die Gelegenheit, seine Vorstellungen an diesem Marktsegment umzusetzen. Dieser Prozess unterscheidet sich deutlich von vergleichbaren Interventionen in den westlichen Industriestaaten.
Dort kann sich die vermögende Klasse im Krisenfall auf die Politik verlassen. Zu wichtig sind Wählerstimmen, zu disruptiv die Kapitalmärkte, als es sich eine Regierung leisten könnte, eine Marktpanik zu riskieren, geschweige denn, Entscheidungen zu treffen, die eine Marktpanik auslösen.
Die CCP hat in den letzten Monaten demonstriert, dass es diese Schutzräume im Reich der Mitte nicht gibt.
Fazit. Der kalte Krieg bekommt ein Antlitz. Die westlichen Industriestaaten pumpen Unmengen Liquidität in die Kapitalmärkte und hoffen, über kapitalistische Prozesse die nationalen Ökonomien für die Post-Pandemie-Periode fit zu machen. China setzt auf Planwirtschaft.
Der Wochenbericht 41/20 aus dem Oktober 2020 ist ein anachronistisches Dokument aus der Epoche des ungezügelten Kapitalismus in China. Noch nie waren die Inhalte dieser Wochenberichte so rasch überholt. ↩