Insgesamt verbuchten die Indizes weltweit starke Einbrüche. Öl wurde im Wochenverlauf fast 10 Prozent günstiger, Energietitel und fossile Länderindizes (Kanada, Australien, Brasilien) folgten dem Trend. Trading Economics hat eine gute Übersicht der Preistrends der wichtigsten Aktienindizes: Nur Russland, Montenegro und Venezuela stemmten sich dem globalen Verkaufsdruck entgegen. Auch die Preise für Dividendentitel in China stiegen gegen den Trend. Der Yuan steht allerdings wegen der Schwäche des Yen höchstwahrscheinlich vor einer größeren Abwertung.
Die vergangene Finanzmarkt-Woche stand ganz im Zeichen der Sitzungen der Notenbanken. EZB, FED, Schweizerische Nationalbank, die Bank of England und die Bank of Japan verkündeten Zinsentscheidungen. Den Anfang machte bereits in der Vorwoche die australische Notenbank. Anstatt wie erwartet um 0,25, erhöhte sie die Leitzinsen in DownUnder um 0,5 Prozent. Rohstoffreichtum und geographische Abgeschiedenheit schützen nicht vor der globalen Inflationswelle.
Ebenfalls in der Vorwoche durchkreuzten US-Statistiken die Pläne der FED. Mühsam hatte sie in kontrolliert dosierten Statements die Kapitalmärkte auf einen Zinsschritt um 0,5 % vorbereitet. Am Freitag der Vorwoche erhärteten sich die Indizien, dass sich eine nachfrageinduzierte Inflation manifestiert, inklusive einer Lohn-Preis-Spirale: Sowohl der Anstieg der Verbraucherpreise als auch die Lohnentwicklung überraschten auf der Oberseite. Gleichzeitig verharrte die Konsumbereitschaft auf einem hohen Niveau. Unverzüglich erschienen »Hintergrundberichte« in der NewYorkTimes, Vox und dem Wallstreet Journal. Gemeinsamer Tenor: Ein Zinsanstieg um 0,75 % ist unumgänglich.
Die FED nutzte die Pressekonferenz nach dem Zinsentscheid für ein starkes Statement: Um die Inflation zu zähmen sind wir sind bereit, die Konjunktur abzuwürgen und Arbeitlosigkeit zu akzeptieren.
Die Reaktion des neoliberalen Wochenblatts The Economist ist bezeichnend. Die Notenbanken werden als Getriebene dargestell, die mit ungeeigneten Werkzeugen und ohne Wasser einen Flächenbrand zu löschen trachten.
Die Marktteilnehmer haben gelernt: Mißtraue den Maßnahmen der Notenbanken, kritisiere sie öffentlich, wette aber niemals gegen die FED, die BoJ oder die EZB.
Nicht umsonst zeichnet sich an den Rohstoff- und Immobilienmärkten eine Trendwende ab. Die Baubeginne in den USA sind angesichts extrem gestiegener Hypothekenzinsen im freien Fall, Öl- und Kupferpreise sinken. Und ganz plötzlich ist auch Saudi-Arabien bereit, auf Geheiß des US-Präsidenten die Ölproduktion zu erhöhen. Es bildet sich ein SetUp für einen harten Bruch des Inflationsregimes aus.
An den Aktienmärkten hat sich derweil eine starke Korrelation zwischen Zinstrend und Aktienpreisen gebildet. Die Preismuster erinnern an die Stagflationsphase in den 1970ern. Zeitgleich reduziert sich die Aktienquote in den USA wieder auf das Normalmaß: Die Spekulanten der WallstreetBet’s-Kommune haben sich größtenteils – je nach Geschick – mit Gewinn oder Verlust aus dem Kapitalmarkt zurückgezogen. Online-Broker berichten von Kontoschließungen.
In den Schlagzeilen der angelsächsischen Presse dominieren die Moll-Töne. Journalisten und publizierenden Analysten sind sich einig: Die Marktpreise werden sich so rasch nicht erholen.
Der von Hieronymus geschätzte Bloomberg-Chronist John Authers vergleicht die Gegenwart mit dem Lehman-Moment im September 2008. Im Oktober war der Schock halbwegs verdaut, der S&P 500 hatte ein Viertel seiner Marktkapitalisierung abgegebeni. Kaum jemand sah sich in der Lage, die Zukunft halbwegs fundiert zu prognostizieren.
Wer am 1.Oktober 2008 im festen Glauben, der Kapitalismus wird die Nebel schon lichten, investierte, musste bis März 2009 immer größeren Buchverlusten zuschauen (Buchwertrückgang um 40%). Bereits auf Jahressicht wurden derartige Engagements aber honoriert. Ein ähnliches Schicksal droht heutigen Schnäppchenjägern.
Authers fügt ein entscheidendes Detail an, dass die Gegenwart von 2008 unterscheidet: Demographie. Die aktiven Kapitalanleger sind älter geworden (die jungen Wallstreet-Bet’s-Fans und Krypto-Enthusiasten wurden mehrheitlich mit größeren Verlusten aus dem Markt gedrängt). Wer unmittelbar vor dem Ruhestand steht, überlegt sich zweimal, ob er es riskiert, die Hälfte des Kapitals am Aktienmarkt zu verdaddeln.
Konsequenz: Im Gegensatz zur furiosen Erholungsrallye 2020 und 2008 steht eine deutlich zähere und selektivere Markterholung bevor. Geht es nach der Mehrheitsmeinung, ist das Preistief dieses Zyklus noch nicht ausgelotet.
Das hat auch mit der ökonomisch gespaltenen Welt zu tun. In den vergangenen Wochenberichten wies Hieronymus immer wieder auf die grundsätzlichen Unterschiede zwischen den USA (+ Kanada, Australien) und dem Rest der Industriestaaten hin: Eine nachfrageinduzierte Inflation kann mit geldpolitischen Methoden gesteuert werden. Eine angebotsgetriebene Inflation dagegen kaum. Rohstoffreiche Industrienationen sehen sich einer nachfrageinduzierten Inflation ausgesetzt. Dort kann die Geldpolitik mit höheren Zinsen den Trend beeinflussen. Die Ursrpünge einer angebotsgetriebenen InflationDieses liegen außerhalb des Gestaltungsraums der Zentralbanken. Das spiegelt sich in der Geldpolitik der Bank of England, der Bank of Japan und auch der EZB. Die japanische Notenbank folgt der FED überhaupt nicht. Der Leitzins bleibt unverändert. EZB und BoE folgen der FED nur halbherzig.
Der Ausverkauf in der abgelaufenen Woche war zwar heftig, eine Marktpanik entstand aber nicht. Einige Marktteilnehmer setzen auf einen weiteren Preisabschlag – bis sich diese Panik einstellt.
Es ist aber unwahrscheinlich, dass dies in den Sommermonaten passiert. Für eine Marktpanik benötigt man einfach auch Masse. Aktuell ist das Handelsvolumen bereits ausgedünnt. Dieser Trend setzt sich bis September fort.
Deshalb die These Hieronymus ‘s’: Bis September passiert an der Preisunterseite nicht mehr viel. Eine kleine Sommerrallye ist wahrscheinlicher, als ein weiterer Abverkauf. Nachhaltige Preistrends sind erst im Herbst zu erwarten.
Wegen der Dominanz markttechnischer Faktoren bei der Preisentwicklung macht es Sinn, für den Sommerhandel generell auf stabile und selektiv auf moderat steigende Notierungen zu setzen.
In der vergangenen Woche passierte, was viele bangen Blicks lange erwartet hatten: Three Arrows Capital (3AC), ein Hege-fund und zentraler Marktteilnehmer im Bereich Decentralized Finance (DeFi) erhielt einen Margin-Call, der nicht bedient werden konnte.
Im November 2021 betrug das Anlagevolumen des Fonds mehr als 20 Mrd. $. Er gehörte zu den zentralen Akteuren im Terra/Luna De-Fi-Cosmos und war massiv vom Kollaps der beiden Coins betroffen. Wie üblich, war nur ein Bruchteil der aufgesetzten Trades mit Eigenkapital hinterlegt. Das meiste Kapital stammte von Lending-Plattformen, die konventionelle Bankgeschäfte im Krypto-Space betreiben. Hierzu gehören Aave, Ceslsius und Babel Finance.
Kann ein Großkunde einen Margin-Call nicht bedienen, steht der Kreditgeber im Feuer. Das gilt im traditionellen Finanzwesen wie auch im Krypto-Space. Celsius setzte am Montag zunächst seine Geschäftstätigkeit aus. Einlagen sind eingefroren, die Mitarbeiter antwortet nicht auf Kontaktanfragen.
Offenbar sind die Mitarbeiter mit Fire-Sales beschäftigt, Zwangsliquidierungen der Sicherheiten von 3AC, um die eigene Haut zu retten. Aber wer kauft schon spekulative Kryptomünzen, wo der Gesamtmarkt auf Wochensicht 20 Prozent und mehr nachgibt?
Zum Wochenende ist Bitcoin erstmals seit 2020 wieder unter 20.000 $ gefallen, Ethereum knabbert an der 1.000 $-Marke. Im November 2021 kostete Ethereum kurzzeitig 4.500 $. Auch hier gilt: Investments sind möglich, aber nur sinnvoll, wenn der Zeithorizont lang ist. Niemand weiss, wann sich ein Preisboden ausbildet.
Das zerschmetterte Krypto-Universum hat viele Verlierer, insbesondere im De-Fi-Segment. Gleichzeitig ist dies die Stunde wohl durchdachter, nachhaltiger Kryptowährungen. Ethereum vollzieht in ein paar Wochen die Migration zu Proof of Stake. Mit der Migration werden viele Coins schlicht überflüssig. Solana, Avalanche, Elrond, Fantom, um nur einige zu Nennen. Wie Phönix aus der Asche hat sich Tron in den letzten Wochen gemausert. Die Blockchain hat sich zum Mekka von Gaming-Anwendungen entwickelt und erwirtschaftet in dieser Nische reale Erträge.
Daneben schaut Hieronymus auf Polkadot, Cardano und Algorand. Polkadot ist eine Abspaltung von Ethereum. Anstatt auf Evolution (wie bei Ethereum) setzte man dort auf Revolution, also Neuprogrammierung unter Vermeidung der Anfängerfehler. Im Herbst entscheidet sich, ob es Platz gibt, für konkurrierende Ethereum-Blockchain-Konzepte. Algorand und Cardano sind wissenschaftliche Blockchains. Cardano ist tief in der asiatischen OpenSource-Community verankert. Algorand setzt auf Universitäten und ist geographisch auf Südamerika fokussiert.
Aktuell profitieren Blockchains, die mit Seriösität glänzen können. Sowohl Algorand als auch Cardano stehen auf soliden, wissenschaftlich fundierten Krypto-Füßen. Das Scheitern im Schnellverfahren entwickelter Krypto-Geschäftsmodelle spielt ihnen in die Hände.
Das Krypto-Segment könnte deshalb eine, dem Immobilienmarkt nach 2009 vergleichbare Entwicklung nehmen. Man hat aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und sortiert Schnellschüsse aus. Übrig bleiben Innovationen für die Digitale Zukunft.
Seit Mai werden internationale Geldtransfers via Moneygram über die Kryptomärkte abgewickelt. Der Zahlungsdienstleister umgeht das klassische Bankensystem und erschließt so Kosteneinsparpotenziale.
Nun meldet sich der Internationale Währungsfonds und behauptet, geschickt programmierte Kryptowährungen könnten den Energiebedarf des internationalen Finanzsystems um Zehnerpotenzen senken.
Außer Konkurrenz wird auch Bitcoin betrachtet. Interessant: Derzeitige Kryptoanwendungen sind bis zu einer Zehnerpotenz energiesparender, als der konventionelle Weg. Die sich selbst als Grüne Blockchain bezeichnende Algorand Chain kompensiert bereits heute den Energieverbrauch des Netzbetriebs durch fest kodierte Smart-Contracts, die einen Teil der Handelsgebühren in CO2-Kompensationsprojekte einzahlen.
Der Unterschied ist gewaltig. Der Economist räumte ein, dass die Produktion eines NFT auf der Ethereum-Blockchain den Energieverbrauch/ die Emissionen eines Flugs London - New-York für eine Person benötigt/freisetzt. Auf der Algorand-Blockchain ist das weniger, als der Energieverbrauch eines Gangs vom Schreibtisch zum Papierkorb.
Ohne eine Decarbonisierung des Finanzsektors kann die Menschheit unmöglich Klimaneutral werden. Das ist aus heutiger Sicht nur durch umfangreiche Adaptionen des Krypto-Marktsegments möglich.Gemäß dem IMF sind Konzepte vorhanden und die Regierungen müssen sich nun auf Modalitäten zur Umsetzung einigen und die Regulierung so aufstellen, dass ein möglichst energiesparender globaler Zahlungsverkehr umgesetzt wird.
US home mortgage rates jump by the most since 1987; 30-year loan reaches 5.78%, FT 16.6.2022
the rate of US new home construction fell in May to the slowest pace since April 2021. US housing starts fell 14.4 per cent month on month to an annualised pace of 1.5mn. Building permits, considered a leading indicator of the housing market, fell 7 per cent from the previous month.
Krypto-Hedge-Fonds Three Arrows Capital vor Ruin, Bitcoinblog
Digital Currencies and Energy Consumption, IMF Fintec Notes
How Crypto and CBDCs Can Use Less Energy Than Existing Payment Systems, IMF Blog, 15.6.2022