Das Schwerpunktthema bildet in dieser Woche eine Spekulation auf einen Kriegsgewinner aus Österreich.
Stuttgart/Villach 4. Juni 2022.
Wie schafft es Elon Musk nur immer wieder die Nachrichten zu dominieren? In der vergangenen Woche ging es Schlag auf Schlag:
Fast zeitgleich wurden in den USA aktuelle Arbeitsmarktdaten veröffentlicht. Danach hat die Arbeitslosigkeit mit 3,6 % das Niveau vor dem Ausbruch der Corona-Epidemie erreicht. Der US Präsident reklamiert die Schaffung von 8,7 Mio. Jobs als Erfolg seiner Hilfsprogramme. Verständlich, dass sich Biden seine Bilanz nicht durch die Emotionen eines Elon Musk zerreden lässt.
Leider reiht sich die Meldung aus dem Hause Tesla ein in eine Reihe irritierender Finanznachrichten. Die Äußerungen Musk’s ähneln denen von Amazon aus dem Mai. Auch dort hatte man die Mitarbeiterexpansion übertrieben und versucht seitdem, diesen Fehler zu korrigieren. Die Arbeitslosigkeit ist ein nachlaufender Konjunkturindikator. Es wäre nicht das erste Mal, dass Unternehmen immer noch einstellen, während rings herum die Wirtschaftsleistung bereits zurückgeht.
Das Problem: Die FED hat angekündigt, wegen des scheinbar angespannten Arbeitsmarkts die Geldpolitik weiter sehr restriktiv zu gestalten. Konkret kündigten offizielle Vertreter drei!! 50 BP-Zinsschritte bis Herbst an. Die FED benutzt die Entwicklung offener Stellen für ihre Entscheidungsfindung.
Was wenn diese Kennzahl technologiebedingt verzerrt ist, fragt die FT provokant in einem Hintergrundbericht. Die Reporterin geht der Frage nach, ob Unternehmen massenweise Fake-Stellenangebote lancieren. Sie porträtiert Hochschulabsolventen, die trotz eines scheinbar leergefegten Arbeitsmarkts über Monate keine adäquate Stelle finden und spekuliert, dass Unternehmen viele Positionen als offen melden, einfach um den Markt nach potenziellen Kandidaten abzufischen. Die Stellen selbst sind gar nicht existent. Es geht einzig darum, die Kandidaten zum Schaulaufen antreten zu lassen.
Das würde erklären, warum die Lohnpreisspirale trotz des scheinbaren Arbeitskräftemangels nicht anspringt. Die Aspiranten werden in ewigen Interviewverfahren mürbe gemacht und lassen sich schließlich auf die Konditionen der Arbeitgeber ein. Falls die Recherche die Realität einfängt, ist der US-Arbeitsmarkt weiterhin ein Anbietermarkt und die Jobsuchenden sind in der Defensive. Das psychologische Momentum dieser Strategie darf nicht unterschätzt werden: Stell dir vor, alle reden von einem Wirtschaftsboom und zeigen auf lukrative Jobangebote. Eine Heerschar Arbeitssuchender wird aber immer wieder mit einer anderen Realität konfrontiert. Ihnen wird von der medienaffinen Gesellschaft permanent der Spiegel vorgehalten.
Die Entwicklungen im Großen (FED fußt Geldpolitik auf statistisches Rauschen) und im Kleinen (frustrierte Arbeitssuchende) bieten eine ideale Bühne für allerlei Spekulationen über die weitere Marktentwicklungen im Rahmen des Sommerhandels in den USA.
Europa steht derweil vor einer kriegsbedingten Sonderkonjunktur. Die Outperformance europäischer Dividendentitel gegenüber den US-Pendants hält an. Dies ist der Erwartung eines Geldregens für die Ukraine geschuldet. Für den Kapitalmarkt ist irrelevant, wer den Wiederaufbau zahlt. Fakt ist: Die Mehrzahl der Großaufträge geht an Unternehmen aus den europäischen Nachbarstaaten. Hier positioniert sich Hieronymus das Smart-Money.
Bis ins 19. Jahrhundert war die heutige West-Ukraine Teil der österreich/ungarischen KuK-Monarchie. Die Wurzeln sind in den pittoresk erhaltenen Altstädten entlang der Grenzen zur heutigen EU wunderbar konserviert. Das heute neutrale Österreich hat sich seit Beginn des russischen Angriffskrieges eindeutig auf die Seite der Ukraine gestellt. Allein dies ist ein Novum. Anstatt Waffen zu liefern leistet man umfassende humanitäre Hilfe.
Beste Voraussetzungen also für staatsnahe Unternehmen der Alpenrepublik, für die Phase des Aufbaus einer runderneuerten europäischen Ukraine.
Der Strabag dürfte hierfür eine Schlüsselrolle zukommen.
Das scheinen auch andere so zu sehen. Der Aktienkurs hat sich in den letzten beiden Wochen deutlich von der französischen Vinci abgesetzt. Historisch sind die beiden Aktien sehr stark korreliert. Die derzeitige Divergenz ist bemerkenswert.
Der Konzern ist ein Spezialist für Infrastrukturgroßprojekte. Der Schwerpunkt liegt in der operativen Bautätigkeit. Das Dienstleistungsgeschäft1 ist ein zweites (schwächeres) Standbein. Das ist bei der Vinci umgekehrt. Dort ist das konjunkturstabile Servicegeschäft Hauptertragsquelle.
Steckt hinter der aktuellen Outperformance mehr als die Spekulation auf Großaufträge in ferner Zukunft? Vielleicht. Die Strabag
Gut – die Baubranche ist kapitalintensiv. Wer sich um Großaufträge bewirbt, muss eine weiße Weste haben und eine gute Bonität. Das Sicherheitspolster der Strabag ist aber selbst unter diesen Rahmenbedingungen sehr üppig.
Die konservative Bilanzgestaltung ist dem Einfluß der strategischen Investoren geschuldet. Die Uniqa, einer der größten Versicherungskonzerne Österreichs (entspricht der ehemaligen Volksfürsorge in Deutschland) und die Raiffeisenbank haben die Aktienpakete zur Sicherung eigener langfristiger Zahlungsversprechen im Bestand. Die Stabilität der Dividendenzahlungen ist für Assets in Pensions- und Lebensversicherungs-Depots die oberste Prämisse.
Die Finanzmärkte belohnen weder die bei der Strabag gelebte Bilanzierungskultur noch die zementierte Anteilseignerstruktur. Unternehmen dieser Couleur entziehen sich spekulativen Exzessen und anderen Methoden der Preismanipulation. Das Ergebnis: ein deutlicher Bewertungsabschlag.
Vinci ist der größte europäische Infrastrukturkonzern. Er konzentriert sich auf die Bewirtschaftung von Flughäfen, den Bau und die Bewirtschaftung von Brücken und Tunneln, den Bau und den Betrieb von Autobahnen, Fern- und Stadtbahnen.
Das Unternehmen ist ebenfalls gut vernetzt: in Frankreich, Europa und überall, wo Frankreich einmal Kolonialmacht war. Dort geht es wesentlich »kapitalistischer« zu. Vinci ist im CAC40 und EuroStoxx50 gelistet und ist allein deshalb in den meisten institutionellen Depots mindestens als Beimischung enthalten. Konsequenz: Anteil institutioneller Anteilseigner: 39 %. 9 Prozent des Gesellschafterkapitals sind Mitarbeitern vorbehalten. . Über die Hälfte der ausgegebenen Aktien sind im Streubesitz.
Die komplett andere Aktienärsstruktur spiegelt sich in den Kennzahlen: Der Cash-Flow ist mit 18,77 € pro Aktie zwar optisch höher. Die Aktien sind aber mehr als doppelt so teuer. Auch die Dividende ist mit 2,9 € höher, die Dividendenrendite mit 3,2 % deutlich geringer und die Payoutratio mit 0,64 doppelt so hoch, als bei der Strabag. Das KGV der Vinci beträgt 20, gegenüber 8 bei der Strabag.
Im Ergebnis ist die langweilige Strabag unter geopolitischen Gesichtspunkten ein höchst spannendes Investment. Strategisch könnte der Konzern ein Kriegsgewinner im positiven Sinne sein. Kurzfristig lebt im Zuge der Vergabe der Deripaska-Anteile an einen aktivistischen Investor die Spekulation auf frischen Wind in Aufsichtsrat und Vorstand auf. Mit einem Zeithorizont von fünf Jahren könnte der Wert als großer Kriegsprofiteur einen positiven Beitrag im Depot leisten. Vor diesem Hintergrund tritt das Konjunkturrisiko in den Hintergrund. Die Baubranche ist Konjunktur- und Zinssensitiv und aktuell als Investment insgesamt zu meiden. Bei der Strabag halten sich Kurzfristig wegen der vielen Sonderfaktoren Chancen und Risiken die Waage, strategisch überwiegen klar die Perspektiven.
Spätestens jetzt beginnt die Post-Pandemie OpenAir-Saison. Einen Vorgeschmack lieferte die Lokalband »Moto« vor einem ausgesuchten Publikum vor der Kulisse der Filderebene im Süden Stuttgarts.
Die Dienstleistungssparte der Strabag hat etwa einen Anteil von etwa 10% des Gesamtumsatzes (5% Dienstleistung, 2% Projektgeschäft). ↩
Die Beteiligung Basic Element Company ersetzt Rasperia Trading, eine Investmentgesellschaft des russischen Oligarchen Oleg Deripaska, der auf der europäischen Sanktionsliste steht. Der Vorstand der Stabag hat zuerst den Vertreter der Rasperia aus dem Aufsichtsrat entlassen, dann dem Großinvestor mit Verweis auf die EU-Sanktionen die Dividende gestrichen und schließlich den Syndikatsvertrag aufgekündigt. Im Hintergund sei ein Wettbewerb um die Übernahme der Unternehmensanteile ausgebrochen, munkeln einige. Hieronymus beteiligt sich nicht an derartigen Spekulationen. Die Entscheidung für ein Investment hat dies aber sehr wohl beeinflußt. ↩
Die Strabag reiht sich ein in die wachsende Gruppe ausgesprochen interessanter europäischer Buy-&-Hold-Unternehmen, die sich durch hohe CashFlows, eine geringe Verschuldung und gesunde Ausschüttungsquoten auszeichnen und Antipoden zur angelsächsischen Kultur maximaler Ausschüttungen an die Anteilseigner sind. ↩