Wochenbericht 19

Stablecoin-GAU

An den traditionellen Kapitalmärkten macht sich Sommerstimmung breit. Ganz anders die Randmärkte. Rohstoffhändler stehen wieder in Verdacht, sich an der Not vieler zu bereichern. Im Kryptospace macht sich Verzweiflung breit. Innerhalb eines Tages verflüchtigt sich ein Coin mit einer Marktkapitalisierung von mehr als 10 Milliarde Dollar.

Stuttgart/Villach 14. Mai 2022.

Beginnen wir mit positiven Dingen.
Die Eurokai-Story (Wochenbericht 17/22) geht weiter. Der Aktienkurs konnte im Wochenverlauf teilweise deutlich zulegen. Wie erwartet, konnte Eurokai für das erste Quartal trotz Pandemie und Ukraine-Krieg stabile Erträge präsentieren. Der Ausblick aber begeisterte.

Die Restrukturierung des Deutschlandgeschäfts trägt erste Früchte. Es wurde die Basis für eine nachhaltige Ertragsentwicklung gelegt. Das Spannendste am Geschäftsmodell von Eurokai sind die Mittelmeeraktivitäten. Dort sieht auch das Management Wachstumsperspektiven. Eine aufstrebende Ertragsperle ist das Verladegeschäft La Spezia. Hier könnte man einen berühmten Werbespruch umdrehen: Eurokai verdient Geld, wo andere Urlaub machen. La Spezia liegt nur einen Steinwurf von den pittoresken Cinque Terre Dörfern.

Taktisch interessant und strategisch kaum zu toppen ist die Konzession für den Betrieb des Hafens im ägyptischen Damietta. Eurokai ist zu einem Drittel an der Hafenbetriebsgesellschaft Damietta GmbH beteiligt, neben Hapag Llyod und Contship Italia. Über Damietta sollen bis zu drei Millionen Standardcontainer pro Jahr umgeschlagen werden. Die positive Entwicklung des Warenumschlags in Tanger (Marokko), das auch in dieser Konstellation gemanagt wird, haben die ägyptischen Genehmigungsbehörden offenbar überzeugt.

Kühe als Wertanlage

Die offizielle Staatswährung Simbabwes, der Simbabwe-Dollar, ist chronisch inflationär. Die Eliten des Landes haben sich daran gewöhnt, über ihre Beziehungsnetzwerke US-Dollar zum staatlich festgesetzten Wechselkursa (aktuell ca. 170/USD) zu kaufen. Auf dem Schwarzmarkt bekommt man pro Dollar bis zu 450 Simbabwe Dollar, Tendenz steigend. Das profitable System lädt geradezu zum »Hebeln« ein: Wer Dollar als Sicherheit bietet, bekommt zinsgünstige Kredite, die er wiederum in Dollar tauschen kann. Der Staatspräsident untersagte nun den Banken, Kredite zu vergeben. Die Spekulation gegen die Landeswährung müsse aufhören, sagt er. Nun versuchen die Banken herauszufinden, welche Geschäfte sie noch machen dürfen.

Es gibt ein Altersvorsorgesystem. Mitarbeiter aus Staatskonzernen können ihre Bezüge in Rentenfonds einzahlen. Das ist angesichts der Hyperinflation natürlich nicht zielführend. Deshalb zahlen die meisten in USD-Policen ein. Das Ergebnis ist nicht wirklich besser: Die Schwarzmarktkurse rauben einen Gutteil der Renditen.

Eine ehemalige Bankangestellte mischt das System gerade auf. Ihre Lösung: Sachanlagen, die unabhängig vom Geldsystem eine attraktive Renditen versprechen. Mrs. Chamunorwa überzeugte innerhalb kurzer Zeit 70.000 Kunden. Ihre Alternativlösung: Sie kauft Kälber, lässt diese durch Bauern großziehen und liefert diese (oder deren Marktwert) an die Kunden aus. Risikolos ist dies natürlich nicht. Anders als bei klassischen Anlageprodukten können diese hier sogar haptisch gegriffen werden.

Diese (bis dato erfolgreiche) Form der Geldanlage könnte nicht verschiedener sein von der – insbesondere bei jungen Afrikanern – sehr beliebten Geldanlage in Kryptowährungen.

Kernschmelze bei Stablecoins

Es war einmal … eine Kryptowährung, die das Bankwesen revolutionieren wollte. Terra war der Name der Blockchain, Luna deren Währung. Terra Station heißt die Wallet, mit der jedermann die vermeintlich dezentrale Zukunft des Bankwesens erforschen konnte (siehe auch: Digitale Zukunft / Cosmos).

Abbildung 1: Die Stunde der Wahrheit für Luna

Luna diente als Collateral des algorithmischen StableCoins UST. Jeder »reale Dollar«, der in UST gewechselt wurde, hatte eine wertmäßige Luna-Entsprechung, behauptete das White Paper.

Das mag zu Beginn tatsächlich so gewesen sein. Algorithmische Stablecoins sind jedoch keine langweiligen Krypto-Geldmarktfonds, wie die OFF-Chain Konkurrenten USDC und Theter. Sie haben den Anspruch, Innovationsmotoren für dezentrale Finanzanwendungen zu sein. In der Praxis war Terra/UST ein Paradies für Finanzjongleure jeglicher Coleur. Das Collateral wurde vielfach genutzt – und immer waren hohe Zinsen im Spiel.

Am Sonntag sackte der Kurs von UST auf 0,987 / Dollar. Als Begründung wurden hohe Verkäufe über Curve nachgereicht, einem Marktplatz auf der Ethereum Blockchain. Am Montag (9. Mai) berichtete Coindesk über eine signifikante Schwächung des Collaterals für LUNA/UST. Die Luna-Foundation hatte 1,5 Mrd. $ (in Bitcoins) an befreundete Hedge-Funds und Handelshäuser ausgeliehen, damit diese stabilisierend in das Marktgeschehen eingreifen.

Wenig überraschend bewirkte dies eine unmittelbare Marktreaktion: der Kurs von UST sackte auf 0,88 / USD.

Abbildung 2: UST – Der Todeskampf eines Stablecoins

In der Folge gelang es der herbeigerufenen Artillerie den Kurs von UST für einige Stunden zu stabilisieren. Im Wochenverlauf verloren die Unterstützer immer mehr die Kontrolle. Am Freitag versetzte ein letzter Ausverkauf den beiden Währungen den Todesstoß. Etwa 16 Milliarden Dollar heiße Luft sind verraucht.

UST ist eine Sonderentwicklung

Abbildung 3: DAI – Preisverlauf des Urgesteins algorithmischer Stabiecoins

Mit dem Untergang von UST ist die Story der Stablecoins keineswegs beendet. Dies zeigt ein Blick auf den Chart des DAI, des ersten on-Chain Stablecoins überhaupt. Dieser hat seine Kinderkrankheiten überwunden und ist – trotz der Turbulenzen der letzten Woche – absolut stabil.

Das gilt auch für den hier vorgestellten Algorand-Stablecoin STBL. STBL darf um fünf Prozent um die Dollar-Parität schwanken. Dieses Fenster wurde in der vergangenen Woche ausgelotet. Die Marktunruhe machte sich positiv im Wechselgeschäft bemerkbar. Das Währungspaar USDC/STBL wurde intensiv gehandelt. Die Bereitstellung von Liquidität hierfür war entsprechend lukrativ.

STBL ist wie DAI nur eine Anwendung auf der Blockchain. Beide weisen im Vergleich zur Blockchain selbst ein unbedeutendes Volumen auf. Das Collateral ist mehrfach überdeckt und auch im Krisenfall ausreichend. Anders als auf der Terra-Blockchain, ist es auf der Algorand-Blockchain optimal, seine Algo-Bestände nur zur Hälfte für schuldenfinanzierte Spekulationen zu verwenden.

Es besteht die Chance, dass der Fall von UST als reinigendes Gewitter den Kryptospace von wenig nachhaltigen Projekten befreit. Andererseits dreht sich die Welt auch außerhalb des Kryptospace weiter und es entstehen Alternativen zu teuren Kreditkarten und klassischen Bankleistungen.

Konkurrenz aus Brasilien

Bargeldlose Geschäftsprozesse waren teuer. Eine Überweisung von 50 reais (ca. 10€) kostete 16 reais Gebühren, bei Verwendung einer Kreditkarte wurden stets 2 % Gebühren erhoben.

Im November 2020 änderte sich das. Die brasilianische Notenbank führte PIX ein. Eine digitale Geldbörse, mit der alle Transaktionen (für die private Nutzung) zum Nulltarif erledigt werden können. Es handelt sich um die Vorstufe einer digitalen Währung.

Die Transaktion wird über den Austausch von QR-Codes abgewickelt. Die Vertragspartner müssen hierfür keine personenbezogenen Daten austauschen. Der Erfolg spricht Bände: Im dritten Quartal 2021 wurden fast 4 Milliarden Buchungen über das System abgewickelt. Im Grunde ist PIX eine staatliche Form von Alipay.

Die brasilianische Notenbank hat die lokalen Banken zur Mitarbeit »überredet«. Interessant: Obwohl das Überweisungsgeschäft weggefallen ist, sind auch die Banken voll des Lobes. Ohne Bankkonto geht auch PIX schließlich nicht. Der Erfolg von PIX den Banken ohne Zusatzkosten viele Neukunden gebracht. Der Vorteil für die brasilianische Volkswirtschaft: Man ist dem Ziel einer finanziellen Inklusion einen großen Schritt näher gekommen. Inzwischen haben 97 % aller Einwohner des Landes ein Bankkonto.

Brasilien schickt sich an, das System in die Nachbarländer zu exportieren und es auch für den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr zu öffnen.

Brasilien zeigt, dass finanzielle Inklusion auch ein einem totalitären Schwellenland mit hoher Inflation gelingen kann. Der Erfolg des PIX steht in Kontrast zum Scheitern der Bitcoin-Politik in El Salvador. Dort ist Bitcoin, wie der US-Dollar, offizielles Zahlungsmittel. Die finanzielle Inklusion erreichte man dort aber nicht.

Ressourcen

  • Financial innovation in Zimbabwe, Heiferinflation, Economist 14.05.2022, S. 47
  • Zimbabwe – Savings and groan. Economist 14.5.2022, S. 45
  • Luna Foundation Guard Lends $1.5B in BTC and UST for Stablecoin Peg, Coindesk
  • Pix perfect – Digital payments have gone viral in Brazil, Economist 14.05.2022, S. 72