Weil in Russland Kapitalverkehrsbeschränkungen existieren, gibt es einen Schwarzmarkt. Dort handelt der Rubel weiterhin im Bereich 120 bis 140 pro Dollar. Das kann jedoch schwerlich als Indiz für die Wirksamkeit der Sanktionen gewertet werden. Vielmehr scheint sich Russland, zum Mißgefallen der USA, hervorragend auf den Wirtschaftskrieg mit der NATO vorbereitet zu haben.
Der Economist bringt es wie folgt auf den Punkt:
If any economy could come close to coping with being cut off from the world, it would be Russia’s.
Es wird immer offensichtlicher, dass es nicht möglich ist, einen Wirtschaftskrieg mit Russland zu gewinnen. Vermutlich gilt dies auch für den Fall eines vollständigen Energie-Embargos. Die Welt richtet sich besser auf einen langen Atem beim Sanktionsregime ein.
Wenn der Krieg den Aggressor wenig schadet, wie sieht es bei den Alliierten der Ukraine aus? Sind hier nachhaltig negative Konsequenzen absehbar?
Die offensichtlichste Kriegsfolge ist eine gefühlt bereits endemische Inflation. Ist diese nachhaltig?
Am Donnerstag verkündete die Bank of Japan, dass sie die Zinsstrukturkurve weiterhin moderieren wird. Sie verlängerte ihr Versprechen, die Zinsen für japanische Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit nicht über Null Prozent steigen zu lassen. Dies war keine wirkliche Überraschung, wie ein Blick auf den Verlauf des Währungspaares USD/JPY zeigt. Die Ankündigung, zukünftig zu diesem Zweck unbegrenzt Staatsanleihen aufzukaufen, schon.
Anders als beim russischen Rubel, hat der Krieg in der Ukraine einen nachhaltigen Effekt auf den Außenwert des japanischen Yen!
Die Abwertung ist eine faustdicke Überraschung. Schließlich wertet der Yen in Krisenzeiten stets auf! Und warum befeuert die japanische Notenbank den bereits bestehenden Abwertungstrend?
In der jüngeren Vergangenheit war die Geldpolitik in Japan ihrer Zeit desöfteren voraus. Möglicherweise weist der jüngste Zinsentscheid aus Tokio auch dieses Mal den Weg der Geldpolitik im Rest der Welt.
Auch in Japan steigen die Preise. Die Erzeugerpreise sind im Jahresvergleich um sagenhafte 9 Prozent gestiegen. Im Gegensatz zum Rest der Welt sind die Inflationserwartungen (noch) niedrig.
Die Unternehmen legen die gestiegenen Rohstoffpreise nicht auf die Endverbraucher um. Auch die Lohnkosten sind nicht gestiegen. Die Kerninflationsrate ist sogar nochmals zurück gegangen.
Aus der Abbildung 3 ist schön das Hin- und Her bei den Erzeugerpreisen ablesbar, dass sich stets nur abgeschwächt und temporär in steigende Verbraucherpreise übertrug. Regelmäßig folgte auf einen Inflationspeak eine ausgeprägte deflationäre Phase.
Warum sollte das diesmal anders sein, fragte sich wohl auch die Bank of Japan.
Anmerkung: Deflationäre Phasen nach einem Inflationspeak waren stets Wirtschaftskrisen oder Rezessionen.
Auch für die USA existiert ein Szenario für ein nur temporäres Inflationsregime.
Danach erreicht die Kerninflation 2023 den Zielberreich von 2 Prozent. Die Inflation sollte nach der Projektion unmittelbar sinken. In der Wochenendausgabe des Wallstreet Journals ist passend hierzu ein Artikel enthalten:
Wage Gains Show Signs of Slowing - The slight cooling suggests employers are feeling less pressure to offer pay increasese
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Die Biden-Administration ist dringend auf sinkende Inflationsraten angewiesen. Es besteht eine direkte Korrelation zwischen Inflationsrate und Zustimmungswerten für die Demokratische Partei.
Anders als in Japan, übersteigt die Kerninflation in den USA derzeit das Inflationsziel der FED (2%). Entsprechend groß ist der öffentliche Druck auf die FED, die Leitzinsen jetzt kräftig anzuheben.
Mit dem Blick auf die Geldpolitik Japans besteht in den USA die Gefahr, dass politisch motivierte Zinsschritte den unvermeidbaren Abschwung nach dem Inflationspeak verstärken.
Endlich an den Hebeln der Macht angekommen, schwingt die FDP gerade die große Zinskeule. Kein öffentlicher Auftritt der Parteigrößen, in dem die EZB nicht zu einer deutlichen Zinserhöhung aufgerufen wird. Allzu groß sei die Differenz zwischen Geldentwertung und risikolosem Zins, sagt die FDP.
Dumm nur, dass die Volkswirte der EZB dies anders sehen. In einem Pressestatement verkündete die EZB am Donnerstag, dass sie bereits 2023 eine Normalisierung der Inflationsrate erwartet und deshalb keine Änderung der Geldpolitik notwendig sei.
Objektiv betrachtet kann die EZB die Zinsen nicht anheben, egal wie die Inflationsentwicklung ist. Die hochverschuldeten Mittelmeerstaaten wären sofort pleite, die Eurokrise der Jahre 2011ff wäre zurück. Sie kann die Inflation auf der anderen Seite nicht ignorieren. Ihr Auftrag ist schließlich die Sicherstellung der Geldwertstabilität. Man darf gespannt sein, wie lange verbale Interventionen noch wirken.
Europa trägt die hauptsächliche ökonomische Last des Kriegs in der Ukraine, ist in besonderen Maße von steigenden Rohstoff- und Energiepreisen betroffen. 40 Jahre setzte man auf Handelspartnerschaften als Garanten für den Frieden in Europa. Russland versuchte man mittels einer Energiepartnerschaft zu umarmen. Dieser strategische Fehler wird nun korrigiert.
Was auf den ersten Blick wie ein Coverpicuture einer billigen Serie eines Streamingdienstes aussieht, ist die Unterzeichnung eines Abkommens zwischen der bundesdeutschen E.On und der australischen Fortescue Future Industries. Das Ziel: Grüner Wasserstoff wird von Fortescue in Australien und Tasmanien erzeugt, dann um die halbe Welt verfrachtet und schließlich in Holland ins europäische Gasverbundnetz eingespeist. Das Volumen: 5 Mio. Tonnen pro Jahr. Geliefert wird ab 2024.
Die EU will bis 2030 jährlich 20 Mio. Tonnen Wasserstoff importieren. Das geht der amtierenden deutschen Regierung viel zu langsam. Robert Habeck hatte in der Vorwoche einen ähnlichen Vertrag in den Emiraten geschlossen. Entsprechend wurde der Fortescue-Deal als wohldurchdachte Diversifizierung der Wasserstoffbeschaffung verkauft.
Fortescue hat den Ukraine-Krieg zum Anlass genommen, seine Wasserstoffproduktion deutlich zu straffen. Ursprünglich sah die Unternehmensstrategie vor, 2024 im Rahmen eines Pilotprojekts 100.000 Tonnen grünen Wasserstoff für die industrielle Verwendung bei der Covestro zu erzeugen. Das geht nun deutlich schneller!
Fortescue Future Industries, die Wasserstofftochter des Firmenimperiums der reichsten Familie Australiens hat den Zeitgeist wohl recht genau getroffen. Problematisch ist, dass die Energieversorung der Zukunft wiederum in den Händen weniger, sehr vermögender Menschen liegt. Auf der einen Seite die Scheichs in den Arabischen Emiraten, auf der anderen Seite Selfmade-Milliardäre von der anderen Hälfte des Globus. Vielleicht ist dies die bitterste Kriegsfolge: Die Vision, eine nachhaltige Energiegesellschaft der zukünftigen Industriegesellschaft sei wegen der Dezentralität eine demokratische Angelegenheit, wird ob der Dynamik der Auflösung der bisherigen Energielieferlandschaft beerdigt. Die Abhängigkeit von wenigen Öl- und Gaslieferanten wird eingetauscht gegen eine Abhängigkeit von wiederum wenigen sehr vermögenden Menschen, die zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren.
Drei Wirtschaftsräume, drei unterschiedliche Geldpolitiken, drei verschiedene Konjunkturzyklen.
Vieles deutet auf eine Entkopplung der Ökonomien der Industrieländer hin.