Der 10-Punkte-Plan liest sich eher wie ein Forderungspamphlet von Fridays for Future denn eine Empfehlung einer OEDC-Organisation. Eine Umsetzung in der BRD ist selbst mit einer progressiven Ampelkoalition nur unter erheblichen äußeren Zwängen denkbar. Praktisch wird die Politik diese Empfehlungen wohl erst bei Treibstoffpreisen von 3 € pro Liter und mehr in Erwägung ziehen.
Hieronymus leitet hieraus Zweierlei ab:
Diese Perspektive ist kaum vereinbar mit prosperierenden Kapitalmärkten. Passive Investments sind zu hinterfragen!
Das Maßnahmenpaket der IEA zeigt andererseits die Gültigkeit des Trotzki’schem Diktums: Krieg ist eine Lokomotive in der Zeit.
Im positivsten, denkbaren Szenario gelingt es der Staatengemeinschaft, den heißen Krieg in der Ukraine halbwegs einzufrieren. Gemäß den westlichen Vorstellungen werden die Wirtschaftssanktionen Russland seiner industriellen Basis berauben und den Staat irgendwann kollabieren lassen.
Daneben existieren eine Reihe, weniger auskömmlicher Verlaufspfade. In der FT hat Martin Wolf sein Verdikt mit folgenden Worten geschlossen:
After the battle of Austerlitz in 1805, William Pitt the Younger said, presciently: “Roll up the map [of Europe]; it will not be needed these 10 years.” Russia’s war on Ukraine has similarly transformed the map of our world. A prolonged bout of stagflation seems certain, with large potential effects on financial markets. In the long term, the emergence of two blocs with deep splits between them is likely, as is an accelerating reversal of globalisation and sacrifice of business interests to geopolitics. Even nuclear war is, alas, conceivable.
Die OECD hat ihre Wachstumsprognose deutlich revidiert. Danach »kostet« der Ukraine-Krieg Europa etwa 1,5 %, der USA etwa 0,5 % und der Welt insgesamt etwa 0,7 % Wirtschaftswachstum. Andreas Peichl (IFO Institut + EconPol Europe) fürchtet gar einen Einbruch der deutschen Wirtschaft um 3 %.
Gleichzeitig treibt der Konflikt die Inflation in Europa um 2 %, in den USA um 1,4 und global um 2,5 Prozent über das bereits bestehende Niveau.
Zeitgleich zur Veröffentlichung der IEA lud die Fondsgesellschaft Union Investment institutionelle Kunden zu einer Webkonferenz. Die Aussagen der Analysten entsprechen größtenteils den hier vorgetragenen Argumenten.
Die Schlußfolgerungen sind dann aber bemerkenswert:
Die Farbe Grün ist nicht umsonst gewählt. Trotz aller Risiken sehen die Analysten von Union Investment nirgends Rezessionsgefahren.
Die Fondsgesellschaft hat ihre Wachstumsprognosen für 2022 auf dem Vorkriegsstand belassen. »Letztlich ist Russland für die Weltwirtschaft unbedeutend«. Steigende Lebensmittel-, Energie- und Metallpreise, absehbar mehrere Millionen Kriegsflüchtlinge in Europa, und die massive finanzielle Repression der EZB –im Basisszenario hat dies keinerlei Einfluß auf die wirtschaftliche Entwicklung. In einem Risikoszenario (Ölpreis > 150$) sehen die Analysten Europa in eine Rezession schlittern.
Der Ausblick ist interessant.
Die Fondsgesellschaft zeigt die Verlaufspfade eines Spreads Value/Growth-Aktien in den USA nach dem Lehman-Crash und dem März 2020. Sollte die Politik ähnlich vorgehen, wie 2020, muss man Wachstumswerte haben. 2009 realisierte ein Festhalten an Value-Werten einem Renditevorteil von ca. 3 Prozent. Dies ist aktuell der wahrscheinlichere Entwicklungspfad. Die Graphik zeigt allerdings auch schonungslos die Realität: Aktuell haben die Value-Titel ihr historisches Potenzial bereits weitgehend ausgeschöpft.
Trotz eines Festhaltens an der ursprünglichen Wachstumsprognose sind die Fondsmanager im Hausea also Union Investment keinesfalls optimistisch. Weder für Europa noch für die USA. Stock-Picking ist angesagt und Erbsen-zählen — und Energiesparen natürlich.