Noch drastischer fällt der Preisverfall bei Delivery Hero aus. Im Zenit der Pandemie, im Winter 2020/21, notierte die Aktie bei 145 €. Am Freitag schloß sie bei 47 €. Der Wert ist mit einem Abschlag von 6 % größter Tagesverlierer im DAX (nach Hello Fresh mit 4,4,%). Als die Aktie im August 2020 Wirecard im DAX ersetzte, notierte sie bei 100 €. Passive DAX-ETF-Investoren sind also mit einem Abschlag von 50 % betroffen.
In Asien ist am Freitag Meituan(Kürzel: 3690:HK), der größte chinesische Essensbringdienst (70 % Marktanteil), um 15 % eingebrochen. Die chinesische Wettbewerbsbehörde hatte zuvor ein Paket vorgestellt, mit dem das Marktsegment reguliert werden soll. Die chinesischen Behörden kündigen an, die Lieferdienste zu »beraten«, wie sie die insgesamt zu hohen Service-Fees senken können, die Restaurants für ein Listing in den App’s der Lieferdienste zahlen müssen. Die Lieferdienste sollen ferner Rabatte gewähren für Restaurants, die coronabedingt länger schließen mussten. Auch Alibaba, Nummer zwei bei Lieferdiensten in China, notierte am Freitag mit einem Abschlag von mehr als 5 % nochmals deutlich niedriger. Dies ist inzwischen aber keine Nachricht mehr. Anstatt 330 $ (Herbst 2020) kostet die BaBa-Aktie derzeit gerade noch 110 $.
Vor einem Jahr mussten Alibaba und Meituan auf Geheiß der Partei die Entlohnung der Auslieferungsfahrer deutlich erhöhen und zugleich ihre Kommission senken. Damals war der Preis der Meituan-Aktie von 470 auf 280 HKD gesunken. Nach dem Kursrutsch vom Freitag notiert sie bei 190 HKD.
Die Preisabschläge in dem Sektor kommen nicht unerwartet. Dynamik und Intensität sind für Bluechips jedoch ungewöhnlich. Delivery Hero ist chronisch defizitär (PE: -6, Cash-flow: -15 € pro Aktie). Zukünftiges Wachstum ist ungewiss, zudem ist das Marktumfeld hochkompetativ. Skalierungseffekte sind kaum mehr vorhanden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass das chinesische Beispiel globale Nachahmer findet. Die Phase moderner Sklavenarbeit in der GIG-Ökonomie neigt sich überall dem Ende zu. Investoren müssen zugunsten der Arbeitnehmer zurückstecken.
Interessant sind die Sell-Side-Preisziele. Auf 12 Monatssicht sehen die Analysten Delivery Hero bei 100 € (Aufschlag: 100%), Hello Fresh bei 87 € (+80 %) und Meituan bei 312 HKD (+70 %). Trotz etablierter Preiskorrekturen und offensichtlicher Trendbrüche ist noch viel Optimismus im Markt. Daraus lässt sich keine Indikation auf eine Trendwende nach dem jüngsten Abverkauf ableiten.
Dies belastet auch die niederländische Prosus. Die Beteiligungsgesellschaft ist Großaktionär bei Delivery Hero. Zugleich wird die Aktie immer noch als Proxy für chinesische Technologieunternehmen (Tencent) verwendet. Die Aktie hat am Freitag ein charttechnisches Verkaufssignal geliefert.
Die Albemarle ist das größte Unternehmen zur Aufbereitung von Lithium in den USA. Der Aktienpreis spiegelt die Bedeutung der Firma für eine klimagerechte Transformation auch in den USA.
Dank der guten Performance erreichte die Aktie die Kursziele vieler Analysten. Mizuho nahm beispielsweise seine Kaufempfehlung zurück, allerdings nachdem der Wert unter 220 $ gefallen war. Die Deutsche Bank behielt sowohl Kursziel (250 $) als auch Kaufempfehkung bei. Wells Farge sieht den Wert bei 215 $ fair bewertet.
Albemarle Corporation Finishes 2021 Strong; Raises 2022 Outlook
Our Lithium and Bromine businesses are performing well. With a firm focus on executing our growth strategy, we are well positioned for opportunities to deliver significant value to our shareholders. The strategic investments we’ve made in our Lithium business as well as the progress of several key projects will enable us to potentially double our nameplate capacity by the end of 2022
Am 17. Februar (Donnerstag) veröffentlichte Albemarle sein Jahresergebnis und einen Ausblick auf 2022. Die AdHoc-Meldung (oben) sollte die Gemüter der Marktteilnehmer beruhigen.
Die Bewertung der Aktie ist mit einem KGV von 185 sehr hoch. Es genügt bereits eine geringe negative Abweichung von den Erwartungen des Marktes, um die Preise purzeln zu lassen.
Genau das passierte. Der Umsatz stieg von 879 auf 894 Mio $, das EBITDA von 221 auf 228 Mio. $. Das Jahresergebnis rechtfertigte keinesfalls die deutlichen Preisaufschläge der Aktie.
Auch der Ausblick enttäuschte. Albemarle ist der größte Lithium-Produzent in Nordamerika. Man erwartet Preisaufschläge für aufbereitetes Lithium um 40 Prozent. Die Produktion soll um 20 bis 30 Prozent steigen, das EBITDA dieser Sparte um 65 - 84 % zulegen. 2020/1 stieg das EBITDA der Lithium-Sparte um 13 Prozent.
Lithium steuert aber nur die Hälfte zum Gesamtertrag bei. Die übrigen Geschäftsfelder (Bromid und Autokatalysatoren) wachsen kaum. Die Prognose für Lithium allein rechtfertigt die Bewertung der Aktie nicht.
Der Preisabschlag überrascht trotzdem in seiner Intensität. Trotz positiver Geschäftsaussichten ist der Aktienpreis seit November um 100 $ gesunken. Chart- und Markttechnisch ist der Aufwärtstrend gebrochen. Wirkt hier die Dominanz automatischer Handelssysteme preisdrückend?
Albemarle wandert trotzdem auf die Watchlist. Bei einem Aktienpreis von etwa 150 $ (charttechnische Unterstützung aus dem Jahr 2018) ist der Wert ein strategischer Kauf. Die Aufbereitung von Lithium ist ein kritischer Faktor für die klimagerechte Transformation der Industriegesellschaft. Zudem trägt die Aktie kaum politische Risiken.
Eine Put-Option mit einem Strike von 150 $ handelt aktuell 10 $ (Laufzeit: September). Es bietet sich ein Verkauf an. Fällt der Wert weiter, wird die Aktie zu 140 $ eingebucht. Dies erscheint aus heutiger Sicht attraktiv. Kurzfristig würden angesichts des vollzogenen Trendbruchs, der hohen Verschuldung in Kombination mit der hohen Bewertung, signifikante Preisaufschläge überraschen.
Die Perspektiven für die Verarbeitung von Lithium sind ausgezeichnet. Die Nachfrage dürfte das Angebot auf absehbare Zeit übersteigen. Die Preiskorrektur bei der Albemarle ist eine Gelegenheit für einen strategischen Positionsaufbau.