Damit unterscheidet sich Europa wesentlich von den USA. Dort wirken die Coronahilfen definitiv inflationär. Am Donnerstag wurden die jüngsten Daten veröffentlicht: Die Inflationsrate beträgt 7,5 Prozent.
Die Marktbeobachter überbieten sich in ihren Einschätzungen zu möglichen Zinsschritten der US-Notenbank. Diese hatte für den März eine Anhebung des Leitzinses um 0,25 Prozent angekündigt. Das Problem: Am Donnerstag erreichten die Marktzinsen für Staatsanleihen mit 2 Jahren Restlaufzeit zwei Prozent. Die FED hat die Kontrolle über die Zinslandschaft verloren. Die Finanzierungskonditionen haben sich in den vergangenen vier Monaten ohne Zutun der Notenbank drastisch verschlechtert. Noch im Oktober lag der Marktzins bei weniger als 0,5 Prozent.
Vor diesem Hintergrund ist die deutliche Eintrübung des Verbrauchervertrauens keine Überraschung.
FED-Astrologen unter den Marktbeobachtern sind sich einig: Im März wird die FED die Leitzinsen um 0,5 Prozent erhöhen. Einige erwarten bereits im Februar einen weiteren Zinsschritt. Bis zu acht ! Zinsschritte bis Dezember werden herumgereicht.
Interessant ist die Reaktion von FED-Vertretern. Anstatt, wie üblich, zu besänftigen und die offensichtliche Übertreibung aus dem Markt zu nehmen, gießt beispielsweise James Bullard (St. Loius FED) öffentlich Öl ins Feuer. Gegenüber Bloomberg äußerte er Sympathie mit einem Zinschritt im Februar und einem großen Zinsschritt im März. Bis Juli sollten die Leitzinsen danach um ein Prozent angehoben werden.
Dies wird von einigen Kommentatoren als abgesprochene Taktik gewertet, die Finanzmärkte vorab maximal zu verunsichern. Danach, so CNBC, kann die FED dann wie gewohnt moderierend tätig werden. Ab dem Zeitpunkt der Zinserhöhungen dürfen sich die Aktienmärkte dann im Zuge einer wieder moderaten Geldmarktkommunikation der FED wieder erholen.
Die öffentliche Finanzmarktkommunikation in den USA hat sich in den letzten sechs Wochen komplett gedreht. Huldigte man bis zum Jahreswechsel noch die Stärke der US-Wirtschaft, allen voran die der dominierenden Monopolisten, schaut man heute auf die massive Verschuldung vieler Unternehmen und stellt die Tragfähigkeit der Geschäftsmodelle im veränderten Zinsumfeld in Frage.
Das Cover der aktuellen Ausgabe des Economisten ist optisch ausgesprochen gelungen. Auch inhaltlich ist die Aufmachung bemerkenswert. Schließlich kommt es nicht häufig vor, dass Wirtschaftszeitungen sehr prominent auf die Chancen oder Risiken einer Geldanlage hinweisen.
Immer wenn dies geschieht, muss untersucht werden, ob die Betrachtungen zu einer Unzeit veröffentlicht werden. Zugegeben: Eine euphorische Titelseite ist ein zuverlässigerer Kontraindikator für eine Trendwende am Aktienmarkt. Baerische Titelblätter sind bei seriösen Medien ausgesprochen selten. Kein seriöser Journalist will für eine Marktpanik verantwortlich sein. Hieronymus vermutet, dass der Titelblattindikator auch auf die Prognose von Markttiefs angewandt werden kann. Genauso, wie euphorische Titelseiten nicht exakt das Markt-Top treffen, dürfte auch die aktuelle Titelseite nicht den Tiefpunkt der Aktienmärkte markieren. Was wir aber definitiv in den nächsten Monaten ausschließen können, ist ein veritabler Aktiencrash (mehr als 20% Preisrückgang). Viel wahrscheinlicher ist eine Fortsetzung der aktuellen Seitwärtsphase mit periodischen Tests der Preisunter- und -oberseite.
Um den Kreis zu schließen: Je besser die Inflation kontrolliert werden kann, desto attraktiver sind die Aktienmärkte. Wir müssen unsere Augen definitiv auf Asien richten — und Europa gegenüber den USA übergewichten.
Innerhalb von 24 Monaten ist das Anlagevolumen in USD-Stablecoins förmlich explodiert, von sechs auf 174 Milliarden Dollar. Das ist viel Geld, dass aktuell mit dem Versprechen angelegt ist, stets ohne Wertverlust in »echte Dollar« getauscht werden zu können. Ob die Emittenten dieses Versprechen tatsächlich einlösen können, ist unklar. Es gibt keine Stresstests, keine Vorgaben, in welcher Form die Sicherheiten vorliegen müssen; Stablecoins sind unreguliert.
Ob und wie die Emittenten von Stablecons reguliert werden soll, wird in den USA kontrovers gemäß den Parteigrenzen diskutiert. Viele Demokraten fordern eine Gleichstellung mit Banken oder zumindest mit Geldmarktfonds. Kryptoaffine Republikaner sehen darin eine Innovationsbremse. Sie fordern eine an das Marktsegment Krypto angepasste Finanzaufsicht, plädieren im Grunde aber für eine Fortsetzung des gegenwärtigen Laissez-faire.
Republikaner verweisen auf die »Selbstheilungskräfte« der Kryptomärkte. Das kann auch zu einem Boomerang werden:
Diese Woche wurde bekannt, dass das Anchor-Protokoll auf der Terra-Blockchain den dortigen arithmetischen On-Chain-Stablecoin UST im Zuge des jüngsten Preisverfalls der Blockchainwährung LUNA geplündert hat. Nun soll die Terra-Foundation, als Betreiber der zugrundeliegenden Blockchain, in die Bresche springen und die Reserven wieder auffüllen.
Hintergrund: Der Stablecoin UST ist durch die Blockchainwährung LUNA gedeckt. Je höher der Marktpreis von LUNA, desto mehr UST können emittiert werden. In Phasen steigender Marktpreise für LUNA ist die Nachfrage nach UST gering. Die Qualität des Stablecoin ist hoch. Sinkt der Marktpreis von LUNA, sinkt automatisch (per Algotithmus) die Menge verfügbarem UST. Gleichzeitig steigt aber die Nachfrage. Da der Preis der Stablecoins fix ist, verstärkt dies den Preisdruck auf LUNA.
In der Praxis sind Stablecoins deshalb mindestens zweifach überdeckt. Damit können auch große Preisveränderungen gemeistert werden. Das war auch bei UST so.
Auf der Terra-Blockchain hat sich aber das Anchor-Protokoll niedergelassen. Das Ziel: Wachstum um jeden Preis. Um Anleger anzulocken, verspricht man für Stablecoin-Anlagen einen festen Zinssatz von knapp 20 Prozent. Dieses Angebot ist gerade in Phasen fallender Marktpreise unschlagbar. Entsprechend explodierte jüngst die Nachfrage nach UST.
Nun sind die Reserven an LUNA aufgebraucht. Weiter fallende Marktpreise und/oder weitere Nachfrage nach UST führen geradewegs in die Unterdeckung des Stablecoins.
Anchor lehnt es ab, seine Zinsversprechen zu ändern. Das wäre – siehe die republikanische Argumentation – Innovationshemmend. Ob die Terra-Foundation einspringt?
Die Ereignisse auf der Terra-Blockchain spielen den Demokraten in die Karten. Gäbe es klare Regeln, welche Maßnahmen zur Sicherstellung einer ausreichenden Deckung der Stablecoins zu ergreifen sind, wären derartige Lockvogelangebote unmöglich und die Praxis des Anchor-Protokolls wäre für jedermann als Ponzi-Scheme erkennbar. So aber müssen alle Anleger im Vorfeld konkreter Anlageentscheidungem im Krypto-Space ihre Hausaufgaben selbst machen.
Dieses Beispiel macht deutlich, wie mangelnde Regulierung einer Professionalisierung des Krypto-Space im Weg steht. Vor Investments im DeFi-Bereich müssen Risiken derweil mit detektivischem Gespür eruiert werden.