Rot dargestellt ist der Konjunktureinbruch gemäß der aktuellen Prognose gegenüber dem Ausblick im Januar. Die Autoren ermitteln eine Wertschöpfungslücke vom 9 Billionen US-Dollar und prognostizieren eine langfristige Minderung des Wirtschaftswachstums.
Seit Anfang März haben Unternehmen geschätzt eine halbe Billion Dollar am Kapitalmarkt akquiriert. Das Geld dient auch hier zum Stopfen akuter Liquiditätsengpässe, nicht zur Erschließung zukünftiger Ertragssquellen.
Es wurden im großen Stil Anleihen emittiert. Alternativ boten klamme US-Unternehmen institutionellen Anlegern und Hedge-Fonds Wandelanleihen mit hohen Kupons an. In der Konsequenz hat sich die Schuldenlast vieler Unternehmen nochmals erhöht (s.a. Wochenbericht 11: Credit Crunch). In Notzeiten bestimmen die Geldgeber die Konditionen: Unternehmen, die jetzt die Kapitalmärkte anzapfen müssen, akzeptieren restriktive Anleihekonditionen. Dies schwächt die Position der übrigen Share- und Stakeholder.
Die gute Nachricht ist weiterhin: Die Kapitalmärkte funktionieren. Es gelingt Unternehmen, Risiken des operativen Geschäfts gegen die Zahlung eines Zinses an die Marktteilnehmer weiterzugeben. Dies unterscheidet die Gegenwart von der Situation im Jahr 2008/9.
Hieronymus fügt ein »noch« hinzu. Gelingt es nämlich nicht, die Restriktionen rasch zu beenden, ist ein Dominoeffekt wie 2008 unausweichlich. Dies erklärt zumindest teilweise die verzweifelten Anstrengungen der Trump-Administration, entgegen aller Vernunft den US-Lock-Down so schnell als möglich zu beenden.
Die Preisentwicklung der US-Banken zeigt, dass der Finanzmarkt sich der Risiken eines derartigen Dominoeffekts bewußt ist. Die Bewertung von Banken folgt aktuell eher dem Muster der Finanzkrise denn der Entwicklung im Zuge des Platzens der Dot.Com-Blase.
Auf seiner Frühjahrstagung präsentierte der IMF eine Übersicht über die erwartete Neuverschuldung der Staaten.
Das Stabilitätskriterium der Eurozone begrenzt die Neuverschuldung normalerweise auf 3 %. Selbst Deutschland verschuldet sich aktuell mit 6 % des BIP. Besonders betroffen ist Kanada, das zuvor einen ausgeglichenen Haushalt auswies und nun mit 11,5 % des BIP nach den USA die zweitgrößte Ausweitung der Staatsverschuldung hinnehmen muss. Wegen der massiven Neuverschuldung der USA ist die durchschnittliche Neuverschuldung der Industriestaaten 2020 höher als 10 % des BIP.
Die Neuverschuldung der Industriestaaten stellt die Krisenantwort des Jahres 2008 deutlich in den Schatten.
Der IMF weist auf die kommenden Herausforderungen hin:
Ob die Industriestaaten die zusätzliche Schuldenlast tragen können, hängt von der absoluten Höhe der Staatsschulden und dem vom Finanzmarkt geforderten Zins ab.
Die Verschuldung der USA ist seit der Amtsübernahme durch D.T. von 100 auf 107 Prozent des Brottoinlandsprodukts gestiegen. Pandemiebedingt erhöht sich dies nun schlagartig auf über 120 %. Die italienische Staatsverschuldung steigt auf 143 % des BIP. Zum Vergleich: In Deutschland wird ein Anstieg der Verschuldung auf etwa 70 % des BIP erwartet.
Für die Eurozone ist nicht die absolute Höhe der Haushaltsdefizite das Kernproblem, sondern die großen Unterschiede zwischen den Ländern des Nordens und den hochverschuldeten Ländern des Südens. Da zum wiederholten Mal die Schaffung eines einheitlichen Kreditmarktes der Eurostaaten blockiert wurde, erwartet uns spätestens ab Herbst ( ggf. auch erst nach den Wahlen in den USA ) eine Wiederholung der Diskussionen der Jahre 2011-13; eine Euro-Krise reloaded!.
Auch während der Finanzkrise intervenierten die Notenbanken zeitnah. Die gegenwärtige Robustheit der Finanzmärkte ist beachtlich!
Das liegt an der Erwartungshaltung der Marktteilnehmer.
Man ist der festen Überzeugung, den Peak zur Unterseite eingepreist zu haben und richtet seine Augen (und Anlageentscheidungen) nun auf die zu erwartende Boom-Phase.
Die Abbildung 4 zeigt aber schön, wie einzigartig eine derartige Entwicklung wäre. Im gesamten, wahrlich nicht krisenarmen zwanzigsten Jahrhundert überschoß die Konjunktur niemals unmittelbar nach einer schockartigen rezessiven Entwicklung. Richtig ist: jedesmal erholte sich die Gesellschaft, auf eine Rezession folgt regelmäßig eine Phase der Hochkonjunktur. Aber niemals in der vom Markt aktuell antizipierten Weise.
In den kommenden Wochen lockern die meisten Staaten weltweit die restriktiven Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Das Primat der Politik weicht den Erfordernissen der Wirtschaft. Kein Land kann es sich leisten, die Lock-Down-Phase aufrecht zu halten, wenn die Nachbarstaaten die Rückkehr zur Normalität eingeleitet haben.
Ein Emporschnellen der Infektionszahlen ist unausweichlich, eine zweite Infektionswelle nur eine Frage der Zeit. Nicht einmal Singapore hat es vollbracht, auch nur eine minimale Öffnung der Gesellschaft ohne eine machtvolle Rückkehr des Virus zu orchestrieren. Dort explodieren aktuell trotz wieder eingeführter Bewegungsbeschränkungen COVID-19-Neuinfektionen. Südkorea stemmt sich mit noch drastischeren Maßnahmen gegen eine erneute Steigerung der Fallzahlen. Selbst in China, wo die Überwachung allumfassend scheint, breitet sich das Virus immer wieder unkontrolliert aus. Der Aufwand zur Nachverfolgung der Infektionsketten ist überall hoch.
Willkommen in der Realität, mindestens bis zur Verfügbarkeit eines COVID-19 Impfstoffes.
Spätestens wenn die Infektionszahlen in Europa nicht weiter sinken, dürften die Finanzmärkte den Kaninchenblick auf die kommende Erholung ablegen. In dem Maße, wie die tatsächlichen konjunkturellen Einbußen nicht mehr durch staatliche Hilfsprogramme abgefedert werden können, steigt die Gefahr einer zweite Verkaufswelle.
Genügend Munition für erneute Abgaben ist vorhanden: Die erste Verkaufswelle traf die Marktteilnehmer unvorbereitet und erfolgte so schnell, dass institutionelle Marktteilnehmer kaum reagieren konnten. Kippt der Trend, sind diese vorbereitet. Private Investoren sind in den letzten Wochen sogar wieder in den Markt zurückgekehrt und aktuell höchstwahrscheinlich wenig Verlusttolerant.
Die Hoffnung auf eine Normalisierung des Lebens im Zuge der Abschaffung der restriktiven Maßnahmen in der Lock-Down-Phase prägt aktuell das Geschehen an den Finanzmärkten. Die Blicke ruhen auf Wachstumsprognosen für 2021. Gern folgt man der Auffassung, dass die staatlichen Maßnahmen und die Zyklik direkt in eine prosperierende Boom-Phase führen.
Falls schnell eine preiswerte COVID-19-Impfung verfügbar ist, geht diese Kalkulation tatsächlich auf.
Die Ausrichter der Olympischen Spiele hoffen, dass im Sommer 2021 ein Impfstoff verfügbar ist.
Derzeit ist dies Zukunftsmusik. Die COVID-19-Musterländer in Asien zeigen, wie die Realität bis dahin aussieht. Der Aufwand zur Eindämmung des Virus ist weiterhin hoch, die sozialen Beschränkungen können nicht dauerhaft aufgehoben werden. Eine rasche wirtschaftliche Erholung ist unter diesen Rahmenbedingungen schwer vorstellbar.
Falls es tatsächlich gelingt, die Pandemie ad acta zu legen, lasten die finanziellen Aufräumarbeiten auf den Gesellschaften. Hohe Steuerlasten für Arbeiter, Unternehmen und Kapitalisten schöpfen den erzeugten Mehrwert immer wieder ab und begrenzen die wirtschaftliche Dynamik. Die Aufwendungen für den Klimawandel und die Finanzierung des demographischen Wandels lasten zusätzlich auf den Finanzmärkten.
Kurzum: Die Mühen der Ebene werden wir so rasch nicht überwinden können.
Im März war im überwiegenden Teil der USA die meiste Zeit noch Business as Usual. Im April erwarten viele weitere Umsatzrückgänge.
Der Chart zeigt schön, dass Ford-Aktien bereits mehrere Jahre stetig preiswerter wurden. Die Pandemie hat den Trend nur verstärkt. Die frischen Gläubiger setzen darauf, dass zumindest das Schlimmste hinter dem Autokonzern liegt.
Die Tatsache, dass Ford sich am Anleihemarkt die Finanzierung der gegenwärtigen Situation bis Jahresende gesichert hat (2 Mrd $ Verlust pro Quartal = 8 Mrd. Verlust pro Jahr), spricht allerdings Bände.
Die Gläubiger haben bis zum 20. Mai Zeit, sich mit dem Finanzminister auf die Restrukturierung zu einigen. Dann wird die nächste Zinszahlung fällig. Versäumt das Land diese Zahlung, ist das Land wieder einmal Default und für die nächsten Jahre vom internationalen Kapitalmarkt ausgeschlossen. Davon wäre auch der IMF-Kredit betroffen. Dies hätte weitreichende Konsequenzen für die Kreditvergabe des IMF an andere Staaten.
Der IMF geht bis 2021 in seinem Jahresausblick von einem Anstieg des Ölpreises von 6,3 % aus. Das bedeutet einen dauerhaft niedrigen Ölpreis (< 30 $/barel).