Im Herbst 2018 sanken die Preise für Aktien auf breiter Front. Dies war auch für den Ölmarkt eine Zäsur. Anders als bei Aktien, erholten sich die Ölpreise seitdem nicht mehr. Die Fördermengen stiegen dagegen weiter.
Die US-Notenbank FED senkt seit 2019 wieder die Zinsen. Davon profitieren insbesondere hoch verschuldete Unternehmen, darunter sehr viele Fracking-Ölförderer. Das Ergebnis: Im Winter 2019/20 ist die Ölproduktion in den USA so hoch, wie nie zuvor. Am 14. Januar 2020 veröffentlichte die US Energy Information Administration (EIA) einen rosigen Ausblick. Die US-Ölförderung wird sich auf 13,3 Mio. Barrel erhöhen. Balsam für die wahlkämpfenden Trump-Anhänger.
2009 lieferten US-Ölquellen 2.5 Mio. Barrel; 2013 wurden bereits 9,6 Mio. Barrel gefördert. Seit Inkrafttreten der Förderbeschränkungen der OPEC+ Staaten hat sich das US-Fördervolumen vervierfacht (von 3.3 Mio auf 13.3 Mio).1 Für 2021 erwartet die EIA einen weiteren Anstieg der Förderung auf 13,7 Mio. Barrel.
Die USA produziert längst mehr, als Bürger und Industrie verbrauchen. 2020 drücken die USA als Netto-Ölexporteur 0,8 Mio. Barrel in den Weltmarkt, 2021 werden es laut EIA wohl 1,4 Mio. Barrel sein.
Am Donnerstag und Freitag der vergangenen Woche versuchte Saudiarabien die übrigen Ölförderstaaten von einer Produktionskürzung um 1,2 Mio. Barrel zu überzeugen. Das hätte die Ausweitung der US-Produktion zwar kompensiert, die OPEC+ Staaten jedoch weiter in die Defensive gedrängt. Die folgende Abbildung zeigt, wie dynamisch die USA ihre Ölförderung ausweiten.
Die Trump-Administration fördert die heimischen Ölförderer nach Kräften und nutzt auch diplomatische Kanäle zur Durchsetzung von Exportinteressen. Mit Saudiarabien hat das Land einen strategischen Verbündeten im Lager der OPEC+, der die finanziellen Nachteile einer Kürzung der Ölförderung mit politischen Zugeständnissen der Trump-Administration verrechnet. Ohne US-Kriegsgerät wäre weder der Krieg gegen den Jemen, noch die Blockade Qatar’s oder das Engagement im Irak zur Eindämmung des Irans denkbar.
Am Freitag gingen die Vertreter der OPEC+ Mitgliedsstaaten ohne Ergebnis und ohne weitere Worte auseinander. Ab dem 1. April ist niemand mehr an Förderquoten gebunden. Der Ölpreis fiel im Tagesverlauf um 10 Prozent.
Man hatte mit schwierigen Verhandlungen gerechnet. Eine derart massive Kriegserklärung gegen die US-Energiepolitik hatten die wenigsten auf der Rechnung. Die COVID-19 Krise hat die Ölabsätze einbrechen lassen. Deshalb wäre es den Verhandlungspartnern leicht gefallen, eine weitere Begrenzung des Ölangebots zu begründen. Möglicherweise gab die massive geldpolitische Lockerung in den USA den Ausschlag für das Scheitern: die FED hat am Mittwoch völlig überraschend die Leitzinsen um gleich 50 Basispunkte gesenkt. Dies kann als ultimative Unterstützung hoch verschuldeter Unternehmen gewertet werden.
Angesichts absehbar niedrigerer Ölpreise stehen die OPEC+ Staaten, auch nach dem Abbruch der Verhandlungen, vor sinkenden Exporteinnahmen. Die US-Konkurrenz leidet ebenso unter den Preisrückgängen. Eine Loose-Loose-Situation ist besser als eine Win-Loose-Situation, wenn man keinesfalls gewinnen kann.
Bereits 2016 lagen die Grenzkosten der US-Ölförderung bei 31,50 $.2 Diese dürften sich inzwischen nochmals verringert haben. Der letzte Preisverfall bildete zum Jahreswechsel 2015/16 bei etwa 35 $ einen Boden aus. Damals kapitulierte die OPEC vor der Leistungsfähigkeit der US-Ölproduzenten. In einer Krisensitzung vereinbarte man, Fördermengen zu begrenzen, so dass sich ein Mindestpreis von 52 $ ausbildet. Diese Grenze wurde am Freitag dynamisch unterschritten. Es beginnt ein Waiting Game: Die Preise fallen, bis eine der beteiligten Parteien kapituliert und sich auf einen schlechten Deal einlässt.
Der absehbare Preisdruck bei Rohöl trifft die gleichen Branchen und Länder, die bereits 2014 bis 2016 vom betroffen waren, also alle OPEC-Mitglieder, insbesondere Indonesien und Nigeria, die ölfördernden Staaten in Subsahara: Gabun, Kamerun, Guinea und Kongo, natürlich Angola und auch das bereits jetzt kriselnde Algerien. Die globale Ungleichheit wird sich ausweiten. Aus Finanzanlagesicht sehen Emerging-Market-Investments die Rote Karte.
BIG BATH!
Wenn der Gesamtmarkt mit Negativmeldungen überschüttet wird, ist die große Zeit für die strategische Unternehmenskommunikation. Positive Meldungen verpuffen in diesem Umfeld wirkungslos. Negativmeldungen gehen in der Masse unter. Die strategische Unternehmenskommunikation holt jetzt alle Risiken hervor und präsentiert sie dem Kapitalmarkt. In Zeiten passiver Anlageformen orientieren sich die Marktpreise von Aktien so oder so am Gesamtmarkt; für den Preisrutsch der eigenen Aktie wird im Unternehmen aktuell niemand verantwortlich gemacht. Jetzt kann man Fehler der Vergangenheit gefahrlos offen legen.
Im Ergebnis sind alle Risiken kommuniziert, die Leichen im Keller entsorgt. Die Unternehmenskommunikation kann sich der Kommunikation vielversprechender Vision zuwenden und damit eine beschleunigte Erholung der Marktpreise einleiten.
BIG BATH vollzieht sich aktuell auf allen Ebenen: Bei nicht börsennotierten Unternehmen, bei Aktiengesellschaften, bei Unicorns. Selbst Staaten nutzen dieses Umfeld, um Ballast abwerfen zu können. Hieraus ergeben sich natürlich Handelsoppurtunitäten.
Libanon: Default.
Das Land kämpft seit mindestens 9 Monaten gegen einen Ausfall von fälligen Anleihen. Am Montag müssen Staatsanleihen im Gegenwert von 1,2 Mrd. $ getilgt werden. Das Finanzministerium gab am Freitag nach(!) Schließung der Märkte bekannt, die Anleihen nicht zu tilgen.
Das Geld will man lieber für die Stützung des Arbeitsmarktes verwenden.
Der Libanon sitzt auf einem 90 Mrd. schweren Berg aus Staatsanleihen. Die Zinsaufwendungen »fressen« fast die Hälfte der Staatseinnahmen.
Bei libanesischen Banken herrschen strikte Auszahlungskontrollen. Libanesen können pro Woche maximal Cash im Gegenwert von 200$ von ihren Konten abheben. Es war für die Regierung kaum vermittelbar, in dieser Situation den Gläubigern der jetzt fällig werdenden Anleihen 1,2 Mrd.$ auszuzahlen. Die Situation ist ziemlich verfahren: Ashmore, ein auf notleidende Kredite spezialisierter Hedge-Fund hält mehr als 25 % der betroffenen Tranche. Er kann sämtliche Restrukturierungsbemühungen boykottieren. Der IMF könnte helfen. Kredite würden nur gewährt, wenn die Regierung die feste USD-Bindung aufgibt, die seit fast 20 Jahren verteidigt wird. Das würde – nach argentinischem Vorbild – unmittelbar zu einer großen Kapitalflucht führen.
China: Exporte im Februar: -17 %. Rückkehr zur Normalität noch im März. Lufttransporte als Interim. Handelsschiffart mit Liquiditätsproblemen
Die Indikation der Industrieproduktion im letzten Wochenbericht materialisierte in hard Facts. Die Rückkehr zur Normalität ist allerdings in der zweiten Märzwoche bereits weit fortgeschritten. CMA CGM, eine der weltweit größten Handelsschiffgesellschaften (nicht börsennotiert) mit Hauptsitz Marseille, kündigte an, dass innerhalb der nächsten drei Wochen alle Warentransporte aus China wieder aufgenommen würden. In der Zwischenzeit organisiert CMA CGM über seinen Speziallogistiker Ceva Logistics im großen Stil Lufttransporte für essentielle Zwischenprodukte komplexer Lieferketten.
CMA CGM ist hoch verschuldet und wurde zuletzt 2010 vom französischen Staatsfond mit Notkrediten gerettet. Auch aktuell werden öffentlich gehandelte Anleihen mit fünf Jahren Restlaufzeit zu 65 % gehandelt. Die Wahrscheinlichkeit einer Insolvenz wird am Anleihemarkt als sehr hoch eingestuft. Die Preise für Credit Default Swaps haben sich seit Jahresbeginn verdoppelt. Finanzmathematisch ist die Wahscheinlichkeit eines Default des Unternehmen in den nächsten 5 Jahren 80 %. Anleihen der CMA CGM werden auch an deutschen Börsen gehandelt.
Quellen: EIA- Produktionsübersicht, EIA January 2020 Short-Term Energy Outlook ↩
Quelle: Wochenbericht 17/03 Halfgarten Capital. ↩