In dieser Artikelserie stellt Hieronymus die Basics des Krypto-Marktsegments vor.
Als die (Finanz-) Welt im Zuge der Lehman-Pleite im September 2008 den Atem anhielt, veröffentlichte ein gewisser Satoshi Nakamoto seinen Aufsatz »Bitcoin – A Peer to Peer Electronic Cash System«. Explizites Ziel: Aufzeigen, dass ein Finanzsystem ohne Banken möglich ist. Nakamoto schlug die Blockchain als technische Lösung vor.
Die Prämisse: Jedermann hat Zugang, Niemand hat die Kontrolle, in demokratischen Prozessen entwickelte Algorithmen steuern das System. Diese Algorithmen atomisieren das intransparente Bankwesen. Sie geben den Nutzern die Kontrolle (zurück).
Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein wurden Preise für finanzielle Assets an öffentlichen Handelsplätzen durch Angebot und Nachfrage ermittelt. Menschen trafen sich, riefen sich Preise zu und einigten sich schließlich irgendwo. Heute stellen proprietäre Algorithmen der Marketmaker Bid- und Ask-Preise. Der Orderflow selbst ist ein wertvolles Asset. Entweder die Banken selbst nutzen diesen Informationsvorsprung für den eigenen Profit oder sie decken durch Veräußerung ihre Fixkosten. Die Prozesse zur Preisfindung an den Kapitalmärkten unterliegen den überall anzutreffenden Konzentrations- und Informationsvermarktungstrends der digitalen Realität.
Das will Decentralized Finance ändern. Liquidity-Pools sind zentrale Instrumente hierfür.
Ein Liquidity Pool(LP) ist ein Smart-Contract, der zwei gleichwertige Kryptowährungen enthält.
Nun tauchen 50 LP-Token
in der Wallet auf. Diese können wie normale Coins auf andere Wallets übertragen werden. Sie können auch gestaked werden und in diesem Rahmen Zinsen erwirtschaften. Die wichtigste Anwendung ist aber ihr Einsatz in einem Automatischen MarketMaker(AMM). Das ist ein Smart-Contract, der die Preisfindung beim Wechseln von Coins (Swappen) über einen einfachen Algorithmus steuert.
Der verbreitetste Algorithmus sorgt schlicht dafür, dass der Wert der beiden Coins im Pool stets konstant ist. Es wird die Gleichung 5 Coin-1 * 10 Coin-2 = 50 LP Token
abgebildet.
Möchte ein Nutzer nun einen Coin-1 in Coin-2 wechseln, erhöht sich der erste Term in der Gleichung um eins: 5 + 1 Coin-1 * 10 - x' Coin-2 = 50 LP Token
. x'
ist die Auszahlungsmenge.
Soll der Wert des Pools konstant bleiben, müssen 1,66 Coin-2
ausgezahlt werden. Der Wechselvorgang hat das Verhältnis der beiden Coins im LP verändert. Anstatt 5:10
beträgt es nun 6:8,33
. Coin-1 wurde durch den Wechselvorgang abgewertet, Coin-2 erfuhr eine Aufwertung. In unserem einfachen Beispiel ist der Wechselvorgang selbst kostenlos. In der Praxis wird eine Fee fällig, die zwischen dem Pool-Betreiber und den Besitzern der LP Token
aufgeteilt wird.
Auf allen Kryptowährungen existieren Tools zum Wechsel von Krypto-Währungen. Diese unterscheiden sich zum Teil deutlich. Da die verwendeten Algorithmen veröffentlicht sind, kann ein informierter Nutzer das für seine Zwecke geeignetste Tool wählen. Die Entwicklung ist auch in diesem Bereich dynamisch. Einige Beispiele der Ethererum-Chain:
Andere Projekte bieten den Nutzern eine dynamische Anpassung des Algorithmus an unterschiedliche Marktbedingungen, automatisches Positionsmanagement, Algorithmen zur parallelen Nutzung von Arbitrage u.v.a.m.
Für Krypto-Anwendungen ist es essentiell, dass Nutzer die Projektwährung stets zu fairen Konditionen handeln können. Während der Startphase ist es nicht ungewöhnlich, dass die Besitzer von LP Token
für die Bereitstellung von Liquidität belohnt werden. Dies geschieht durch Staking oder Airdrops. Auf der Cosmos-Blockchain hat sich die Osmosis-Chain auf Incentivized Liquidity Pools spezialisiert. Die Projekte zahlen Osmosis für die Aufrechterhaltung eines liquiden Handels. Osmosis gibt ein Teil dieser Einnahmen an die Liquidity-Provider weiter. Hohe zweistellige Zielrenditen sind die Folge. Die Rendite erhöht sich weiter, wenn man sich verpflichtet, die Liquidität fix zu binden. Das Yieldy-Projekt auf Algorand (und bald auch auf Polygon) geht einen ähnlichen Weg. Dort kann die Rendite eines Liquidity-Pools durch Staking verdoppelt werden. Auf der Avalanche Blockchain übernimmt TraderJoe diese Rolle, bei Tron heißt die Plattform JustSwap, Solana hat Raydium mit ähnlichen Optionen.
Es ist absehbar, dass sich die großen Blockchains zu Infrastrukturplattformen mit geringer oder zumindest überschaubarer Volatilität gegenüber dem US-Dollar und dem Euro entwickeln. LiquidityPools profitieren von hohen Handelsvolumina. Man kauft quasi eine Beteiligung an einer Wechselstube. Im Niedrigzinsumfeld eröffnen LiquidityPools gerade konservativen Anlegern einen Zugang zu nachhaltigen Ertragsströmen.
Die Königsklasse sind hoch korrelierte Asses mit hohen Handelsvolumina. Schwankende Marktpreise führen auf beiden Seiten zu sinkenden Pool-Preisen. Die gebotenen Renditen sind entsprechend höher.
Die aus Investorensicht zentrale Eigenschaft eines LiquidityPools ist die Akkumulation des risikobehafteten Coins. Erfährt eine der beiden Währungen einen Nachfrageschub, wird dieser Coin quasi aus dem Pool herausgekauft. Beim Liquidityprovider akkumulieren sich die von den aktiven Marktteilnehmern verkauften Coins.
Dieses Verhalten entspricht dem eines Stillhalters im Optionshandel. Auch hier wird die Aktie dann angedient, wenn der Preis sich »in die falsche Richtung« entwickelt hat. Das Positonsmanagement des LiquityPools in einem Anlagedepot kann deshalb Analog gesteuert werden.
Die steuerliche Behandlung von Liquidity-Pools ist derzeit noch komplex. Der Grund: Der Kauf- und Verkauf von Krypto-Coins ist ein privates Veräußerungsgeschäft. Liqudity-Token sind Wertpapiere und unterliegen dagegen der Abgeltungssteuer. Das ist zumindest die Auffassung mehrerer Rechtsanwälte.
(Letztes Update: 31. Januar 2022)