Decentralized Autonomous Organisation
Scharf wie ein chinesischer Dolch: Dezentrale Autonome Organisationen

Digitale Zukunft

Decentralized Autonomous Organisation

Ist es Besessenheit, Ideologie oder Utopie? Wer einen Governance-Coin besitzt, kann unmittelbar seinen Platz im Aufsichtsrat eines DAO's einnehmen und über die Geschicke der Firma mitentscheiden. Diese Krypto-Coins werden frei auf der Blockchain gehandelt. Ist das die Neuerfindung der Aktie?


In dieser Artikelserie stellt Hieronymus die Basics des Krypto-Marktsegments vor.

Eines muss man den Protagonisten der digitalen Revolution zugestehen: Sie denken Prozesse konsequent zu Ende. Zuerst schafft man mit der Blockchain ein Werkzeug, mit dem auf globaler Ebene revisionssicher Transaktionen abgebildet werden können (Bitcoin). Dann erweitert man den Einsatzzweck auf beliebige administrative Vorgänge (Ethereum / Smart-Contract) und schließlich auf beliebige Programme oder ganze Betriebssysteme (z.B. Cartesi). Der Schritt, auch Managementfunktionen auf der Blockchain abzubilden, ist dann nur konsequent.

Aus Fehlern lernen

2016 versuchte eine Gruppe Idealisten die erste Dezentrale Organisation zu programmieren. Sie emittierten einen »DAO« Coin. Das Ziel von DAO: Bereitstellung von VentureCapital für neue Krypto-Projekte. Die Entscheidung, wer wieviel Kapital zu welchen Konditionen bekommt, sollte von allen DAO-Investoren getroffen werden. Dazu stellte das Kernteam eine einfache Managementstruktur auf.

Die Coins waren frei handelbar, je mehr Coins jemand erwarb, desto größer war sein Einfluß auf die Entscheidungen. Kritiker bemängelten sehr früh strukturelle Defizite. So konnte beispielsweise nicht ausgeschlossen werden, dass Handelsroboter alle Coins aufkaufen und die Firma dann ohne Management da steht.

Im April 2016 erfolgte das ICO. Es wurden 150 Millionen Dollar eingenommen. Das Kapital lag als Ethereum vor und entsprach damals 14 % der zirkulierenden ETH-Coins.

Als erste Entscheidungen zur Verwendung des Kapitals anstanden, entdeckte man diverse Softwarefehler. Das Dilemma: Die Software war in der Blockchain selbst implementiert und damit nicht ohne Zustimmung der Coin-Eigentümer veränderbar. Das ging jedoch nicht, weil das Abstimmungstool unsicher war.

Im Juni 2016 machten sich Hacker über die Sicherheitslücken her und zogen 50 Mio. $ ab ( 3.6 Mio ETH ). Damit war ein signifikanter Teil aller emittierten ETH in den Händen der Hacker. Nach intensiven Diskussionen forderte die DAO die Ethereum-Stiftung auf, einen Hard Fork der Blockchain vorzunehmen. Mit diesem drastischem Mittel wollte man die Integrität der Blockchain sichern: Man erklärte alle Transaktionen ab dem Zeitpunkt des ETH-Diebstahls bei DAO für ungültig. Ethererum-Miner mussten auf den letzten gültigen Block zurückgehen und die Chain von dort aus weiterbauen. Das taten nicht alle. Die Blockchain mit den gestohlenen ETH heißt seitdem ETH-classic.

Datenkraken fordern neues Denken

Zwanzig Jahre nach dem Platzen der Dot.Com-Blase dominieren wenige (US-) Unternehmen die digitale Welt. Ihr Geschäftsmodell: Plattformökonomie. Die Firmen sammeln exzessiv Daten und erstellen Nutzerprofile, um hochprofitable, personalisierte Dienstleistungsangebote platzieren zu können.

DAO’s sind die Antwort junger Digitalenthusiasten auf die monopolartigen Strukturen der Online-Welt. Die Ökonomie ist auf ihrer Seite. In freien Gesellschaften haben Monopole keine lange Lebensdauer. Deren Prozesse werden mit wachsender Dominanz ineffizienter. Einmal weil die Unternehmensgröße Entscheidungsprozesse komplexer macht. Zum anderen fehlt die Konkurrenz als Entwicklungsmotor.

Die Covid-Pandemie könnte rückblickend den Zenit der Internetgiganten markieren.

Abbildung 1: Preisentwicklung der Facebook Aktie seit Oktober 2016

Der Preisverlauf der Facebook-Aktie liefert einen ersten Hinweis für diese Entwicklung.1 Trotz der Umbenennung zu Meta stagniert die Bewertung. Das als Zukunftsvision anvisierte Metaverse wird eben auch von dezentralen Projekten beansprucht.

Moderne DAO’s

Seit Herbst 2020 übergeben immer mehr Krypto-Projekte Managementfunktionen an die Nutzer.
Die Teams gehen pragmatisch vor. Es gibt einen Trend hin zu minimalistischen Smart-Contracts. Je weniger Funktionalität auf der öffentlich einsehbaren Blockchain abgebildet ist, desto geringer ist das Risiko bösartiger Attacken.

Die Blockchain ermöglicht neue Formen der Zusammenarbeit. DAO’s integrieren hoch effizient erfolgreiche Konzepte traditioneller Organisationen.

Erfolgreiche Krypto-Projekte mutieren in einem evolutionären Prozess zu DAO’s.

Das Kerngeschäft von Krypto-Projekten erfordert per Definition keine menschliche Interaktion. Es ist in dem Smart-Kontrakt beschreiben und wird von der Software ausgeführt. Im Prozess zur Migration zu einer DAO werden alle Funktionen, die zu Beginn den Entwicklern zugeordnet und von diesen verantwortet werden, in die Blockchain verlagert. Aus Hermann Meyer wird “0x23MRESACAOKG7AS3BCYH3J5N7IIWDIWFTGL3QAKH7IT3A”, eine Adresse auf der Blockchain. Dorthin wird das Gehalt überwiesen, wenn die vereinbarten Aufgaben erfüllt wurden. Wer die Kontrolle über diese Adresse hat, ist nicht bekannt. Welche Aufgaben “0x23…” hat, bestimmt die Community. Wie die Erfolgskontrolle erfolgt, ob zukünftig eine andere Adresse mit den Aufgaben betraut wird, ob die Entlohnung angepasst wird, etc, all dies wird ebenfalls gemeinsam nach einem (ebenfalls im Konsens beschlossenen ) Regelwerk entschieden.

Die Regelwerke sind divers. Der Phantasie sind offenbar keine Grenzen gesetzt. Man experimentiert kreativ mit Incentives für aktive Nutzer oder belohnt langfristige Investoren mit Sonderstimmrechten, implementiert dezentrale Holdingstrukturen mit dezentralen Unterorganisationen und vieles anderes mehr.

Was sich letztlich durchsetzen wird, weiss niemand, ebensowenig ob sich die Strukturen im hochkompetativen und dynamischen Marktumfeld desm Krypto-Space überhaupt behaupten können.

Wie arbeiten im digitalen Zeitalter?

Die Arbeitsverhältnisse in der Digitalwirtschaft haben nichts gemein mit denen frühkapitalistisch ausgebeuteter Arbeiter, aus denen Gewerkschaften hervorgegangen sind. An den Machtstrukturen hat sich jedoch wenig geändert. Die Selbstausbeutung der untersten Hierarchiestufen bei Versanddienstleistern, Lieferdiensten, etc. ist legendär. Gleiches trifft auf die Softwareentwicklung zu.

Fallbeispiel Robolox

Der Guardian dokumentierte im Januar 2022 die subtile Ausbeutung junger Spieleentwickler auf der global sehr erfolgreichen Plattform. Mit raffinierten Methoden zieht das Management systematisch den maximalen Nutzen aus den »Young Potentials«. Alle Nutzer der Plattform sind eingeladen, eigene Spiele zu entwickeln. Diese können von allen anderen gespielt werden. Zu den Spielen gehören proprietäre NFT’s, die erworben werden müssen. Die Einnahmen aus dem Verkauf der NFT’s finanzieren (in der Theorie) die Entwickler. Das Problem: Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen werden ohne Verträge »beschäftigt«. Robolox hat die Rechte an den Spielen. Der Guardian dokumentiert, wie Robolox diesem Zustand für sich zu Nutzen weiss. Die jungen Spieleentwickler sind exakt in der gleichen Position, wie frühkapitalistische Weberinnen in Schlesien oder ihre männlichen Zeitgenossen an den Fließbändern. Da das Vertragsverhältnis völlig ungeklärt ist, ist die Hürde für eine arbeitsgerichtliche Auseinandersetzung hoch. Der Gerichtsstand ist in den USA, die Entwickler stammen aus allen Winkeln des Globus. Wie man es dreht und wendet: Robolox sitzt am längeren Hebel.

Die Macht der NFT’s

Das Gewerkschaftsorgan »The Nation« ruft Softwareentwickler auf, sich an DAO’s zu beteiligen, ja sich in DAO’s zu organisieren. Anstatt Mitbestimmungsrechte ausschließlich an die finanzielle Beteiligung an einer DAO zu binden (also über die Anzahl der gehaltenen DAO-Coins), sieht man den eigentlichen Nutzen im Einsatz von NFT’s. DAO-Coins sind die digitale Entsprechung von Aktien, sie ermöglichen es Shareholdern, an Unternehmensentscheidungen teil zu haben. NFT’s definieren die Rechte der Stakeholder, allen voran digital Angestellter. Bestimmte Managementfunktionen und Mitarbeiterrechte werden an bestimmte NFT’s gebunden werden. NFT’s definieren Organisationsstrukturen der digitalen Zukunftswerkstätten. Hierarchie wird neu gedacht. Ja – DAO’s können Zukunftswerkstätten digitaler Mitbestimmung werden.

Die Investorensicht

DAO’s waren zuerst wenig greifbare Exoten. Sie standen im Verdacht, schlichte Schwarz- und Mafia-Geldwäscheinstrumente zu sein. Mit der Corona-Pandemie hat sich auch hier ein Gesinnungswandel vollzogen.

Selbst in den USA wächst die Kritik an der Macht der Internetgiganten. Die Rufe nach Zerschlagung oder zumindest wirksamer Regulierung wollen nicht verstimmen.

DAO’s der zweiten Generation bieten eine Alternative zu zentralen Strukturen mit undurchsichtigen Entscheidungsprozessen. Entrepreneure spielen kreativ mit den Möglichkeiten dezentraler Organisationen. Potenziale (und auch Gefahren) dieser neuen Organisationsform lassen sich aktuell kaum abschätzen. Einerseits ist vorstellbar, dass sich Google angesichts einer drohenden Zerschlagung in den USA in eine DAO verwandelt. Anderseits könnte die Staatengemeinschaft DAO’s wegen der Unmöglichkeit der Unternehmensbesteuerung auf nationaler Ebene verbannen.

Es macht aus heutiger Sicht Sinn, eine Outperformance modern gemanagter DAO’s im Krypto-Space anzunehmen und diese Coins längerfristig zu halten.

Beispiele

  • ShapeShift, Ein dezentraler Kryptohandelsplatz als DAO

(Letztes Update: 12. Februar 2022)

Ressourcen

  1. Basierend auf den Überlegungen im Wochenbericht: Kalter Digital-Krieg wären DAO’s die digitale Organisationsform des Westens. Diese extrem flexiblen, hoch effizienten Strukturen konkurrieren mit staatlich regulierten, chinesischen Internetgiganten.