Ganz einfach: Ein Kilo Tulpenzwiebeln produziert weiterhin Tulpen im Wert von 100 Euro. Bei der Bank muss man 2.000 Euro deponieren, um nach einem Jahr 100 Euro Zinsen zu erhalten. Also müssen sich die Zwiebelpreise verdoppelt haben.
Kehren wir zurück zum Immobilienmarkt und den Vertriebsargumenten der Makler. Ein gewichtiges Argument für den Erwerb einer Wohnung ist die Bildung von Vermögen. Schließlich zahlt man den Kredit ab, anstatt den Vermieter zu alimentieren. Entgegen unserem Tulpenzwiebelmodell sind die Wohnungsmieten vielerorts kräftig gestiegen, obwohl Inflation quasi nicht existent war. Derzeitige Wohnungsverkäufer haben ihre Immobilien gleich zweifach gemolken: Erstens sind die Immobilienpreise marktzinsbedingt gestiegen. Zweitens konnten sie inflationsbereinigt zusätzlich positive Mietzinsen einnehmen.
Die Situation derzeitiger Käufer ist dagegen unkomfortabel: Die Marktzinsen sind negativ. Die Perspektiven weiterer marktzinsbedingter Immobilienpreissteigerungen sind wage2. Die Politik hat die Mietpreise ins Visier genommen. Weitere Preissteigerungen sind unsicher, zumal auf Bundesebene ein Regierungswechsel absehbar ist und die Republik als Ganzes nach Links rückt. Der Konjunkturzyklus ist weit fortgeschritten, die Wachstumsraten gehen bereits zurück. Hinzu kommt in weiten Teilen Deutschlands die deutlich negative Demographie.
Wie oben ausgeführt, sind marktfähige Immobilien in den vergangenen Jahren systematisch »gemolken« worden und stehen aktuell ohne wirkliche Renditeperspektiven in der Landschaft. Damit gleichen sie Staatsanleihen, die vor Jahren mit auskömmlichen Kupons emittiert worden sind und aktuell mit negativen Renditen gehandelt werden. Käufer von Häusern und Käufer von Bundesschatzbriefen sitzen im gleichen Boot: Erstere entlohnen die Vorbesitzer üppig und erhalten »renditetechnisch ausgeweidete« Objekte. Letztere können sich immerhin mit der Tatsache trösten, unnötige Wahlgeschenke der Regierungsparteien finanziert zu haben.
Ein einfaches Gedankenexperiment entblättert die Risiken des derzeitigen Immobilienmarktes. Marktgängige Immobilien wurden von ihren Vorbesitzern systematisch »gemolken«. Es bestehen kaum Renditechancen. Dafür ist die Liste der Risiken lang.
Beim Immobilienkauf versuchen die Verkäufer/Makler den Käufer mit Blick auf die Preishistorie eine hoffnungsvolle Zukunft auszumalen. Eine wenig Finanzmathematik genügt, um die meisten Argumente zu erden. Ansonsten hilft ein Blick in die Untersuchung der Bank of England, die ausführlich systematische Risiken herleitet.
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Siehe hierzu auch den Beitrag zu den Perspektiven an den Währungsmärkten. Der bevorstehende Wechsel an der Spitze der EZB läutet einen stärkeren Einfluß der Politik auf die Entscheidungen der Notenbanken ein. Damit wird die Geldpolitik weniger berechenbar. ↩
In dem Gastbeitrag untersucht Paul Schmelzing auf BankUnderground Niedrig- und Nullzinsperioden seit dem Mittelalter. Diese waren bis dato stets temporär. Falls eine Zinswende eintritt, steigen die Zinsen innerhalb von zwei Jahren um durchschnittlich um 3,15 Prozent. ↩