—/ layout: page subheadline: “Wochenbericht 4/23” category: week breadcrumb: true header: # image: Damietta.jpg image_fullwidth: 304/kartenhaus-2.jpg caption: “Indischer Kapitalismus (Quelle: cardstacker.com) “ caption_url: https://www.cardstacker.com/#/horseshoe-baltimore/
# title: “Indisches House of Cards” teaser: “Ein Bericht des Shortsellers Hindenburg birgt Sprengstoff für gutgläubige Kapitalanleger und das System Modi in Indien. Bislang hält sich der Schaden mit 52 Mrd. $ Verlust an Marktkapitalisierung in Grenzen. Gelingt es, die nun skeptischen Kapitalmärkte wieder einzufangen? “ image: thumb: 303/thumb.png
Stuttgart, 28. Januar 2023.
Die Jahresausblicke der Banken und Vermögensverwalter waren sich in zwei Punkten einig: (1) Das Aktienjahr 2023 ist für Investments in den Industrieländern inflationsbedingt kaum zu prognostizieren.(2) Schwellenländer bieten sich als Investitionsziele geradezu an.
Das Institute of International Finance berichtet, dass im Januar jeden Tag 1,1 Mrd. $ in EM-Fonds geflossen sind. 2022 waren die Produkte Ladenhüter, in der Summe floß sogar Kapital aus Anlagen in Schwellenländern ab.
Besonders optimistisch waren die Analysten bezüglich Indien. Kunden wurde nahegelegt, breitgestreute Fonds mit langfristigem Anlagegorizont ins Depot zu nehmen. Ein Blick auf den Chart des Sensex zeigt, warum:
Der Wochenbericht Indian Summer schlug in die gleiche Kerbe: »Die indische Wachstumsstory ist vor dem Hintergrund des Blockfreien-Status des Landes angesichts des Ukraine-Kriegs vollkommen intakt,« konstatierte Hieronymus im September 2022. Bei einer Wachstumserwartung von 6 Prozent für 2023 ist ein Investment doch ein Selbstläufer. Was kann da schief gehen?
Der Anlass für das Kapitel über Indien war der spektakuläre Wertverfall des Solarenergie-Pioniers Azure. Azure gelang es scheinbar spielend preiswertes Fremdkapital zur Projektfinanzierung einzuwerben. Die Kenndaten waren Top, kanadische Pensionskassen Ankerinvestoren. Trotzdem sind die Aktien nach der Aufdeckung bilanzieller Unregelmäßigkeiten um 90 Prozent preiswerter geworden. Nun könnte sich das Spiel auf der Hauptbühne wiederholen.
Am Mittwoch landete ein Mail von Hindenburg Research im Postfach. Der Shortseller hat üblicherweise
wenig bekannte Unternehmen im Fokus, die er mit kaum überprüfbaren Anschuldigungen überzieht.
Das Ziel ist einfach: Man informiert die Öffentlichkeit über vermeintliche Mißstände und triggert
so einen Preisrutsch. Der Short-Seller verdient an dem preiswerten Rückkauf vorher teuer leerverkaufter Aktien.
Das Mail vom Mittwoch war aber von einem anderen Kaliber
Von: Hindenburg Research <info@hindenburgresearch.com>
An: hieronymus@hieron-y-mus.de 25.1.2023, 03:45
Betreff: Adani Group: How The World’s 3rd Richest Man
Is Pulling The Largest Con In Corporate History
Es folgt eine lange List an »Beweisen« für eine seit Jahren betriebene Preismanipulation mit Überkreuzbeteiligungen börsengelisteter Unternehmen der Adani Group, geschönte Bilanzen und nicht vorhandene Kreditsicherheiten. Das hat für den indischen Kapitalmarkt eine ähnliche Tragweite, wie der Enron-Skandal 2001 in den USA. Wobei: Enron hatte gerade 22.000 Mitarbeiter. Die Adani-Group ist das dritt größte Unternehmen Indiens. Von einem Zusammenbruch des Firmenimperiums wären vermutlich einige Millionen Menschen betroffen.
Tatsächlich steht nicht nur Adani auf dem Prüfstand. Das Firmenimperium ist ein prominentes Aushängeschild des Kapitalismus Modi’scher Prägung. Wie in Russland stützt eine Klicke Oligarchen das national-religiöse System der BJP. Die Protagonisten unterscheiden sich kaum von ihren Kollegen aus dem Dunstkreis von Putin: (Ambani, Adani, Sunil Mittal (Airtel), Anil Agarwal (Vedanta), die Hindujas, und Sudhir Mehta (Torrent Group), um die Wichtigsten zu nennen. Die zugehörigen Unternehmen sind Corporate India!
Eines unterscheidet Indien von Russland: Dort ist die Ausplünderung natürlicher Ressourcen die Quelle der Erträge. Indische Oligarchen müssen den internationalen Finanzmarkt anzapfen. Indischer Reichtum gründet sich in der exzessiven Verschuldung und der Abwälzung der Risiken an den internationalen Kapitalmarkt.
Der jüngste Coup der Adani’s legt hierfür Zeugnis ab:
Zeitgleich zur Veröffentlichung des Hindenburg-Berichts betrieb Adani eine Kapitalerhöhung für
Adani Enterprises. Institutionelle Anleger hatten ihre Tranchen gerade erhalten. Gemäß der
FT sind Jupiter Asset Management,
BNP Paribas, Société Générale und Goldman Sachs die Abnehmer der institutionellen Tranchen.
Sie müssen bereits am Tag eins ihres Investments einen 16 prozentigen Abschlag hinnehmen. Adani will
trotz der Short-Seller-Attacke an der Platzierung neuer Aktien für Privatanleger am Montag und
Dienstag festhalten. Das wird ein Lehrstück zur Loyalität indischer Spekulanten zu ihrer Regierung
und den korrupten bzw. kriminellen Seilschaften.
Weitere Details zum Adani-Skandal bietet das aktuelle Chartbook von Adam Toozi.
Dieser Skandal belegt einmal mehr die Erkenntnis, dass Investments in Emerging Markets stets kurzfristiger Natur sind und spekulativ: man setzt (auch Mangels belastbarer Informationen) auf einen Trend und sucht danach gleich einen Dummen, der bereit ist, noch mehr zu zahlen, als man selbst es unvernünftiger Weise getan hat.
Fazit. Unabhängig von der Validität der erhobenen Vorwürfe und der Nachhaltigkeit der losgetretenen Preisentwicklung: Der von Hindenburg aufgedeckte Skandal öffnet die Augen für die Ethik von Investments. Indien stellt sich als großer Gewinner des neu entflammten Ost-West-Konflikts dar. Nun wird aber überdeutlich, dass das »System Modi« sehr viele Analogien zum »System Putin« trägt. Es handelt sich um Manchester-Kapitalismus in Reinstform – finanziert vom internationalen Kapitalmarkt. Auch ein Retailinvestor muss sich der Tatsache stellen, dass er durch seine dort angelegten Ersparnisse diese Strukturen stützt und aktuell zusätzlich die Anstrengungen des Westens konterkariert, die imperialen Ambitionen Russlands zu ersticken.
Die Aufnahme des Testbetriebs verzögert sich (um eine Woche).