Wochenbericht 49

Konjunkturprogrammm Japan

Japan ist das erste Land, dass ein Konjunkturprogramm zur Behebung von Klimaschäden auflegt. Gleichtzeitig baut das Land neue Kohlekraftwerke. Ein neuer Trend: Fossile Energien bis zum letzten Molekül nutzen und Klimafolgen kreditfinanziert kompensieren

(Stuttgart, 7.12.) Auf dem Pariser Klimagipfel wurde vereinbart, Maßnahmen zu ergreifen um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Das war 2016. 2019 ist die Ernüchterung groß: Die USA haben sich aus dem Prozess verabschiedet, Japan, Indien und China bauen ihre Kraftwerkskapazitäten im Bereich Kohle trotzdem kräftig aus. Australien hat gerade das weltgrößte Kohlevorkommen zur Ausbeutung freigegeben. Nach Australien könnte auch Kanada die Besteuerung von klimarelevanten Emissionen zurückzunehmen. Anstatt zu sinken, steigen die globalen Kohlendioxidemissionen weiter.

Die Klimabewegung setzt auf die Worte eines halben Kindes, bei dem das Asperger Syndrom diagnostiziert wurde.

Der britische Cartoonist Ingram Pinn hat die Gemengelage für die Financial Times eindrucksvoll illustriert. Ein würdiges Titelbild für diesen Wochenbericht.

Konjunkturpogramm in Japan – Vorbild für Europa?

Es war eine der Top-Meldungen dieser Woche: Japan investiert in den nächsten 15 Monaten 121 Mrd. $ in ein Konjunkturpaket und stellt nochmals die gleiche Summe für Kreditgarantien bereit. Das Ziel: Befeuerung des BIP um 1,5 % bis 2022. Das letzte Paket in gleicher Höhe wurde 2016 aufgelegt. Es verpuffte wirkungslos. Genauso wie die zahllosen Pakete seit dem Zusammenbruch des japanischen Immobilienmarktes 1991. Wo das Geld herkommt, fragt schon lange niemand mehr.

In den 1990ern investierte Japan insgesamt 2,89 Billionen Yen (24 Mrd. €) in den Bau von 15 Brücken, die heute Honshu und Shikoku verbinden. Man versprach sich eine Konjunkturbelebung auf der kleinsten der vier HauptInseln. Dieser Effekt ist bis dato nicht messbar. Das Verkehrsaufkommen ist so gering, dass die Brückenbetriebsgesellschaften über die Mauteinnahmen nicht einmal die laufenden Betriebskosten einnehmen. Das Honshu-Shikoku-Projekt steht bis heute symbolisch für ein Land, dass mit »Brücken nach Nirgendwo« zugebaut ist, errichtet im Glauben, mittels Infrastruktur die Konjunktur anzukurbeln. Immer muss auch die Geographie des Landes als Begründung herhalten und der Anspruch, überall für gleiche Lebensbedingungen zu sorgen. Ein Narrativ, das linke Kreise in der Bundesrepublik gerade für sich entdecken.

In der vergangenen Woche veröffentlichte GermanWatch, ein gemeinnütziger Entwicklungs- und UmweltschutzVerein, den diesjährigen Klima-Risiko-Index. Japan steht ganz oben auf der Liste der Länder mit den größten Klimaschäden des Jahres 2018.

Konjunkturprogramm zur Behebung von Klimaschäden

Im Juli regnete es ungewöhnlich stark, 200 Menschen kamen in den Fluten um, finanzielle Schäden: 7 Mrd. US-Dollar. Danach herrschte bis in den August außergewöhnliche Hitze.138 Menschen starben direkt an den hohen Temperaturen. Im September fegte der Taifun Jebi über das Land: 12 Mrd. $ Schäden.

Die Notwendigkeit der Begleichung der Taifunschäden liefert eine Begründung für die Auflage des Konjunkturprogramms. Genauer: es liefert die Begründung für einen Topf über 20 Mrd. $. Der Rest soll sicher stellen, dass das Land eine reibungslose Olympiade ausrichten kann und negative Folgen der im Oktober vollzogenen Erhöhung der Mehrwertsteuer von acht auf zehn Prozent kompensieren.

In den ersten Wochen nach der Mehrwert-Steuererhöhung sanken die Einzelhandelsumsätze gegenüber dem Vorjahr um 10 bis 20 Prozent1. Dabei hatte die Regierung vorgebaut: Käufer konnten die Steuererhöhung größtenteils durch eine Teilnahme an einem Cash Back Programm kompensieren. Einzige Voraussetzung: Bargeldloses Einkaufen.

Die Regierung Abe hat bittere Erfahrungen mit Steuererhöhungen gemacht. 2014 erhöhte man den Mehrwertsteuersatz von 5 auf 8 Prozent. Das führte das Land geradewegs in eine Rezession, die eindeutig von dem Einbruch der Einzelhandelsumsätze ausging. Spannend wird deshalb der Verlauf des Weihnachtsgeschäfts. Gelingt es den Unternehmen, den Nachfrageeinbruch durch die Gewährung eines Rabatts von 2 Prozent bei bargeldlosem Käufen aufzuhalten? Falls ja, neutralisiert man die Bemühungen, die Steuerbasis an die Staatsverschuldung anzupassen. Falls nein hätte man eine neue Rezession induziert.

Konjunkturprogramme sind in Mode

Das Konjunkturprogramm passt in den Zeitgeist. D.T. machte den Anfang, als er trotz Hochkonjunktur die Staatsversschuldung hoch fuhr und die Unternehmen mit Steuergeschenken anfixte. Ein Strohfeuer entzündete sich. Unternehmen schütteten die Zusatzeinnahmen an die Gesellschafter und Aktionäre aus( siehe Wochenbericht 47. Die Konsequenzen dieses Handelns trägt augenblicklich der Repo-Markt.

Europa legte im Herbst nach. In einer ersten Maßnahme wiederbelebte die EZB die Anleihekäufe. Aktuell laufen letzte Planungen der neuen Ratskommission, mit einem European Green Deal zwischen 400 und 600 Mrd. € für Nachhaltigkeitsprojekte bereitzustellen.

Konsequenz für die Kapitalmärkte: steigende Notierungen

Insbesondere der japanische Aktienmarkt zeigt ausgeprägte Muster. Mit der Verkündung großer Konjunkturprogramme beginnt eine Übergangsphase mit steigenden Notierungen ( 2005: + 40%, 2009: + 20%, 2013: + 55%, 2017; + 20% ). Bereits das Folgejahr führt die Marktpreise regelmäßig wieder auf den Boden der Tatsachen zurück: (2007/8; -55 %, 2010/11: -20%, 2018: -15%).

Engagements im japanischen Markt sind stets taktische, trendfolgende Tradingpositionen. Die möglichen Bucherträge reduzieren sich regelmäßig durch konträre Währungsentwicklungen.

2019 ist der Nikkei trotz ökonomischer Stagnation um 15% gestiegen, davon gehen vermutlich zehn Prozent auf das Konto der Aktienkäufe durch die Bank of Japan. Ob das Konjunkturprogramm trotzdem positive Auswirkungen auf den Aktienmarkt hat?

Konsequenzen für Europa

Das geplante, klimapolitisch begründete Konjunkturprogramm der EU ist direkt mit japanischen Konjunkturprogrammen vergleichbar.

  • Der Staat leistet aus dem Haushalt eine Anschubfinanzierung.
  • Die Notenbank sorgt über eine Kontrolle der Zinsstrukturkurve für vorteilhafte Kreditvergabebedingungen.
  • Die staatlichen Mittel werden nicht direkt investiert sondern dem Kapitalmarkt als Collateral zur Verfügung gestellt. Hierdurch vervielfacht sich der Umfang des Programms.

Wahrscheinlich ist auch das Preismuster der Kapitalmärkte vergleichbar. Die Notierungen an den europäischen Aktienbörsen sollten deshalb in den kommenden Monaten mindestens stabil sein.

Die Woche an den Finanzmärkten

  • Japanischer Pensionsfonds stellt sich gegen Shortseller. GPIF, der größte Pensionsfund der Welt (Anlagevolumen: 1,5 Billionen US-Dollar, davon 733 Mrd. $ Aktienanteil) wird nachhaltig. Die neuen Investmentrichtlinien legen Wert auf ethische, soziale und gesellschaftliche Faktoren und verbieten das Ausleihen der Aktien im Bestand an Spekulanten. In der jüngeren Vergangenheit hatten gerade japanische Großunternehmen (z.B. Sony, Olympus) Attacken von Shortsellern abzuwehren. Normalerweise wirkt die Präsenz eines Großinvestors stabilisierend auf die Bewertung eines Unternehmens aus. Der GIPF war jedoch auf die Einnahme der Leihzinsen (300 Mio $/a) aus und war deshalb eher Partner der Shortseller als verantwortungsvoller Großaktionär.

    Diese Strategieänderung könnte die Volatilität am japanischen Aktienmarkt reduzieren, die Hälfte des GPIF-Aktiendepots ist langfristig in japanische Titel investiert.

  • South African Aircraft. In dem filmischen Meisterwerk Invictus steuert ein patriotischer Pilot ein vollbesetztes Passagierflugzeug unmittelbar vor dem Anpfiff zum Endspiel des Rugby-WorldCups in einem kreativen Landeanflug über das vollbesetzte Stadion in Johannesburg. Die Menge jubelt ob der Unterstützung in der Luft. Die Szene steht Pate für die Beziehung der weißen Bevölkerung zur staatlichen Luftfahrtgesellschaft, die in Apartheitszeiten der letzte verbliebene Nabel zur Welt war.

    Die Airline ist ein Spiegelbild des gescheiterten Staats. Seit 2011 hat die Gesellschaft Verluste über 1,6 Mrd. $ angehäufelt. Die Bemühungen Ramaphosas, dem Staatspräsidenten des Landes, das Statussymbol zu reformieren und die Schuldenlast zu drücken, sind gescheitert. Im Januar 2019 wurden Verbindlichkeiten restrukturiert. Das half den Geschäftsbetrieb noch einige Monate aufrecht zu erhalten. Im November eskalierte die Situation, als die Mitarbeiter in einen unbefristeten Streik traten. Ramaposa drohte damals: SAA ist nicht to Big to Fail. Er würde die Pläne der Geschäftsführung unterstützen, die Belegschaft um ein Fünftel zu reduzieren.

    Die Fluglinie konnte die November-Gehälter nicht mehr zahlen und beantragte jetzt Gläubigerschutz. Zuvor hatte der Finanzminister die Freigabe einer Finanzspritze versagt, die den Geschäftsbetrieb bis zum Jahresende hatte sicher stellen sollen. Irgend jemand muss eben den Stecker ziehen.

  • Deutsche Industrie in Kontraktion. Am Freitag wurden Daten zur Industrieproduktion veröffentlicht. Gegenüber dem Oktober 2018 ging diese um 5,9 % zurück. Die Statistik gibt Zusatzhinweise: Die offenen Aufträge gehen stark zurück, gleichzeitig sind die Läger sehr gut gefüllt. Damit deutet sehr wenig auf eine absehbare Wende hin.

    Die Autoproduktion trägt den größten Anteil des Rückgangs. Im Jahresvergleich gingen die Auslieferungen um 14,4 % zurück. Der Produktionsrückgang in diesem Sektor (830.000 Beschäftigte) ist viel intensiver, als 2008.

    Die rückläufige Industrieproduktion strahlt inzwischen auf das Konsumverhalten aus. Es sank im Oktober um 1,9 % (gegenüber dem Vorjahr). Damit ist Deutschland zusammen mit Irland das Schlußlicht in Europa.

  1. Die Daten stammen aus der Analyse von Supermarktkassen-Abrechnungen, die inzwischen regelmäßig von Datendienstleistern ausgewertet werden (in diesem Falle: Nowcast) FT: Japan data point to bigger than expected hit from sales tax rise