Schaut man genauer hin, entdeckt man bekannte Namen: Stäubli, Leoni und Kuka. Autos bauen ohne europäisches KnowHow, das scheint auch in Zeiten von America First unmöglich zu sein. Die anvisierte Fabrik in Brandenburg dürfte sich kaum von der bestehenden Fertigung in Kalifornien unterscheiden.
Auch sonst ist Tesla ein eher konventioneller Autobauer. Ein Tesla ist ein normales Auto mit Elektromotor und Batterien. Im Gegensatz zu den E-Mobilität-Sparten der Konkurrenten ist Tesla inzwischen profitabel. Das schlägt sich auch in den Firmenkenndaten im Vergleich zu Daimler nieder:
Daimler. Aktienkurs im Oktober: 45 €, aktuell: 50 €. Der Konzern veröffentlichte gerade eine erneute Gewinnwarnung und stellt sich hastig neu auf. Daimler beschäftigt mehr als 300.000 Mitarbeiter und ist mit 54 Mrd. € bewertet. Die Schuldenlast beträgt 260 Prozent (des Eigenkapitals). Daimler erwirtschaftet zwar Gewinne, schüttet diese aber zu 85 % an seine Aktionäre aus.
Tesla. Noch im Oktober kostete eine Tesla-Aktie 225 $. Zum Wochenschluß handelte das Papier bei 350 $. Dazwischen liegt das Q3-Quartalsergebnis, das – für alle überraschend – einen kleinen Gewinn auswies. Die Schuldenlast beträgt 220 %. Das Unternehmen beschäftigt 50.000 Mitarbeiter und ist mit 63 Mrd. $ bewertet. Sämtliche Erträge werden reinvestiert.
Die kleine Gegenüberstellung zeigt, wie sehr die ehrwürdige Daimler AG (als Stellvertreter der Massenhersteller in Europas) in der Defensive ist. Allein die Aktionäre zu überzeugen, ein paar Jahre auf Ausschüttungen zu verzichten, ist eine Herkulesaufgabe. Innerhalb weniger Jahre gut organisierte Mitarbeiter für die Zukunftsaufgaben zu qualifizieren ohne die Profitabilität des Konzerns zu gefährden, gleicht einer Quadratur des Kreises.
Und dann ist noch das Mitarbeiterproblem zu lösen. Im direkten Vergleich beschäftigt Daimler 250.000 Mitarbeiter zu viel. Das ist keine Kleinigkeit.
Damit nicht genug:
Autos der Zukunft sind nicht nur einfacher herzustellen. Sie sind zudem langlebiger. Außerdem werden absolut weniger Exemplare benötigt.
Für eine Übergangszeit wird die Substitution privater PKW gegen Elektromobile einige Automobilkonzerne und deren Aktionäre nähren. Tesla ist hierfür gut aufgestellt.
Der Erfolg Tesla’s ist zu einem Gutteil dem Lohnverzicht der Mitarbeiter in den USA geschuldet. Im kalifornischen Fremont sind 12.000 Mitarbeiter beschäftigt. Es gibt bis heute keinen Betriebsrat. Die Geschäftsleitung verhinderte bis dato jeden Versuch der Gewerkschaften, eine betriebliche Mitbestimmung zu organisieren. Die Ablehnung der betrieblichen Mitbestimmung ist Teil der Firmenphilosophie und dürfte die größte Hürde für den Produktionsstart in Europa überhaupt darstellen. Sie ist Teil der Antwort auf die Frage: Warum will Tesla ausgerechnet in Brandenburg Autos bauen? Der Organisationsgrad ist dort gering, vergleichbar mit Großbritannien.
Tesla baut Elektromobile ohne die sprichwörtlichen Leichen im Keller. Interessant ist, dass am Ende vergleichbare Produkte in vergleichbaren Fertigungsstraßen montiert werden. Dies adelt die implementierte Fertigung der Massenhersteller, zeigt aber auch, dass ein Newcomer die etablierten Produzenten in ihrem Kerngeschäft jenseits des Motorbaus schlagen kann.
Wie in der Gründerzeit der privaten Mobilität schießen aktuell überall Hersteller von Elektromobilen aus dem Boden. Dank der einfachen Technik sind die Eintrittsbarrieren niedrig. Dies fragmentiert den Gesamtmarkt und gefährdet Skalenerträge.
Die Massenhersteller suchen stets die Nähe zur Macht. Die Kontakte zu Ministerien wirken wie eine Put-Option: Im Krisenfall können die Hersteller fest mit massiven staatlichen Förderprogrammen rechnen. Derart gewappnet können die Unternehmen auch im Umfeld hoher gewerkschaftlicher Organisationsgrade bei Mitarbeitern langfristig profitabel arbeiten. Veränderungen erfolgen evolutionär. Greift die Put-Option auch bei revolutionären Veränderungen, wie aktuell?
Aramco IPO. Ursprünglich wolle Mohammed bin Salman, der Kronprinz Saudiarabiens, 60 Milliarden US-Dollar über Aktienverkäufe einnehmen. Man war überzeugt, mit Aramco ein Unternehmen mit einem Marktwert von 2 Billionen USD zu haben. Bei dieser Bewertung wollte man bis zu drei Prozent der Unternehmensanteile veräußern.
Wenige Wochen vor dem tatsächlichen Börsengang ergeht es Saudiarabien wie Softbank beim WeWork-IPO. Die Marktkapitalisierung schmilzt nur so dahin. Die realistisch erzielbare Bewertung nähert sich der Ein-Billionen-Grenze. Weil der Markt nur begrenzt aufnahmefähig ist (siehe Wochenbericht 45) wurde der Umfang des Aktienpakets auf 1,5 Prozent reduziert. Hieronymus sieht hierin erste Erfolge der Diskussionen um die ethisch-soziale Konsequenz von Aktienkäufen.
Am Ende dürften die emittierten Aramco-Aktien mehrheitlich in den Portfolien internationaler Großbanken landen. Institutionelle Investoren, die von Saudiarabien mit sanftem Druck zur Beteiligung am IPO verpflichtet wurden, kündigten an, die Aktienkäufe selbst nur teilweise mit Eigenkapital zu hinterlegen. Die Majorität der Aktien landet als Collateral bei den kreditgebenden Banken. Einheimische Anleger werden über Incentives in die Aktie gelotst. Die Banken des Landes bieten Kredite zu Sonderkonditionen, Order- und Depotgebühren werden erlassen. Hiermit will man ein Drittel des Aktienpakets in Saudiarabien selbst verkaufen. Der Börsengang ist für den 4. Dezember vorgesehen.
Seltene Erden in Australien. Geologen haben 15 potenzielle Lagerstätten von Erzen Seltener Erden identifiziert. China ist bereit, deren Exploration großzügig zu finanzieren. Das ist politisch nicht gewollt. Also versucht man den Kapitalmarkt anzuzapfen. Bisher erfolglos. Trotz der strategischen Bedeutung überwiegen bei rationaler Betrachtung die Explorationsrisiken. Nun bürgt der australische Staat für eine Kreditlinie über 4,5 Millionen Australdollar.
Im Erfolgsfall sollen die Projekte über die Militärhaushalte der USA und Australien finanziert werden, berichtet die FT. Willkommen im Reich ökonomisch unsinniger und ökologisch höchst fragwürdiger Machtpolitik. Seltene Erden sind für die militärische Aufrüstung unverzichtbar. Derzeit dominiert China mit einem Anteil vom 80 Prozent den Weltmarkt. Das gefällt den US-Generälen natürlich nicht.
Caterpillar. Bereits in der Vorwoche lieferte der Hersteller schwerer Minen- und Baufahrzeugen seine Q3 Zahlen ab. Sie enttäuschten auf ganzer Linie. Der Konzern senkte zudem seine Prognose: Ein Strauß schlechter Nachrichten und viele Gründe, der Aktie den Rücken zuzukehren. Weit gefehlt: Seit der Präsentation der Quartalsergebnis ist die Aktien um ein Viertel teurer geworden – nachrichtenlos. Hieronymus fragt sich, ob er etwas verpasst hat oder ob dies schlicht ein Ausdruck grassierender Spekulation ist.
Zwiebelpreise in Indien. Das subtropische Klima erlaubt zwei Zwiebelernten, das Gemüse ist für Indien in etwa so wichtig, wie hierzulande die Kartoffel. Seit Januar ist der Zwiebelpreis um 500 % gestiegen. Ein Fallout des Klimawandels? Ungewöhnlich trockenes Wetter lies die Frühjahrsernte sehr gering ausfallen. Die aktuelle Herbsternte ist ein Opfer der Monsumfluten. Im September gab die Regierung die nationale Zwiebelreserve (50.000 Tonnen) frei. Nun ist man weltweit auf der Suche nach 100.000 Tonnen Zwiebeln. Ein Glücksfall für die Zwiebelbauern auf der Reichenau(Bodensee).