Wochenbericht 4

Fokus auf Klimaschutzdividende

Der Weltwirtschaftsgipfel in Davos stand im Fokus der Klimaschutzdebatte. Die Transformation der Industriegesellschaft wird greifbar.

(Stuttgart, 26. Januar) Anspruch und Wirklichkeit liegen beim Preis für die Emission von Klimagasen jedoch sehr weit auseinander.

Kosten für Verschmutzungsrechte

Am Donnerstag war eine Äußerung des VW-Vorstands Herber Diess fast überall Schlagzeile: »Ich wünsche mir von der Politik eine höhere CO2-Steuer« titelten die Leitmedien unisono. »Schauen wir uns doch mal in Europa um: In Schweden haben wir mehr als 100 Euro je Tonne und das funktioniert gut.«, so Diess zur FAZ. Zur Erinnerung: die Bundesregierung hatte sich auf einen Preis von 10 Euro geeinigt und die Grünen jauchzen ob der Tatsache, dass sie 25 Euro durchgedrückt haben. Nun werden sie ausgerechnet von einem Vorstand eines halbstaatlichen Unternehmens deklassiert, das sein Geld derzeit mit dem Verkauf von SUV’s verdient.

Nicht nur das. Der Internationale Währungsfonds(IMF) hat im Vorfeld des Weltwirtschaftsforums in Davos darauf aufmerksam gemacht, dass die international bindenden Vorgaben des Pariser Klimaschutzvertrags nur mit einem globalen CO2-Preis von 75 $ (68 €) erreicht werden können. Und zwar unverzüglich, nicht erst 2035.

Wenn selbst die leistungsstärksten Volkswirtschaften sich allenfalls zutrauen, ein Drittel des notwendigen CO2-Preises zu stemmen, wie sollen die übrigen Staaten dann zu einem Einhalten der Klimaziele bewegt werden? Laut dem IMF beträgt der globale CO2-Preis derzeit 2 US-Dollar (= 1,81 €) je Tonne ( -> Link zu dem lesenswerten Auszug aus »Finance & Development, dem auch die unten eingefügte Abbildung entnommen ist).

Klimaschutzdividende

Gemäß Berechnungen des IMF wirkt die Einführung eines globalen CO2-Preisregimes in allen Länder als Konjunkturprogramm. Für die G20-Staaten übersetzt sich ein CO2-Preis von 35 $ in ein Wirtschaftswachstum von 1 Prozent, eine weitere Verdopplung des Zertifikatepreises führt zu 1,7 % Wirtschaftswachstum. Die Schwellenländer können unisono mit größeren volkswirtschaftliche Wirkungen rechnen. Umgangssprachlich wird von einer »Carbon-Dividend« oder auch »Klimaschutzdividende« gesprochen.

Die Übersicht ist schonungslos: Größte Profiteure wären die Schwellenländer. Industrieländer profitieren unterdurchschnittlich, entscheiden aber, ob und wann was umgesetzt wird.

Die Klimaschutzdividende fällt nicht einfach vom Himmel und kann aufgesammelt werden. Ihr Preis ist die Abkehr von fossilen Energieträgern. Wie verteilen sich die Kosten hierfür? Der Finanzdienstleister Refinitiv legte hierzu eine Bilanzierung vor. Ausgangspunkt sind zwei Ereignisse der vergangenen Wochen:

  1. Microsoft will ab 2030 Kohlendioxidnegativ werden, also selbst CO2-Zertifikate erzeugen und diese profitabel am Markt platzieren.
  2. Blackrock setzt endlich seinen Klimaschutzplan von 2016 um und schichtet zunächst das aktiv gemanagte Vermögen (2 Billionen $) in nachhaltige Assets um.

Für Refinitiv (ehemals Thomson Reuters) ist dies ein Tipping Point. Unternehmen müssen sich ihrer Kohlenstoffintensität stellen. Anlageentscheidungen müssen die Auswirkungen einer globale Besteuerung von Klimagasemissionen berücksichtigen. Und ganz wichtig: Anleger müssen über die Maßnahmen zur Derkarbonisierung der Unternehmen in Kenntnis gesetzt werden.

Kostenfaktor CO2

Refinitiv rechnet vor: 2019 emittierte die Welt 55 GT Kohlendioxid. Etwa 20% der Emissionen unterlagen einer Klimaabgabe von durchschnittlich 28 $ pro Tonne (= 25 €). Die Einnahmen: 220 Mrd. $. Die Einnahmen würden auf 1,5 Billionen Dollar steigen, falls alle Emissionen besteuert würden. Die Differenz stellt das ökonomische Risiko für Unternehmen dar, die keine oder unzureichende Klimaschutzmaßnahmen ergreifen. Falls die Weltgemeinschaft im nächsten Jahr ihr Bekenntnis zu den Pariser Klimazielen bekräftigt, muss der CO2-Preis auf 75 $ je Tonne, die Kosten auf 4 Billionen USD pro Jahr steigen. Das entspricht 4 % des globalen Bruttosozialprodukts. Ohne entsprechende Einkommen bei Profiteuren der klimagerechten Transformation stürzt die Weltwirtschaft dann in eine scharfe Rezession.
Die Schlußfolgerung von Refinitiv: » The “Carbon Correction” is coming. The only question is, how quickly.« Das entspricht im Grunde den Warnungen von Backrock.

Moral Money, die Nachhaltigkeitskolumne der Financial Times, hat diese Diskussion ebenfalls verfolgt und weist auf die erstaunliche Dynamik der Klimadebatte in Ökonomiezirkeln hin. Noch vor einem Jahr wären die hier vorgestellten Überlegungen von der Mehrheit als überzogen und wenig relevant abgetan worden. Heute sind sie Mainstreamthemen. Einzig die Politik ist in der Debatte des vergangenen Jahrzehnts gefangen.

Die Woche an den Finanzmärkten

  • USA: Staatsanleihen mit 20 Jahren Laufzeit im Angebot
    Der Economist bezeichnet die Entwicklung bereits als »The great Treasuries binge« (Das große Staatsanleihen-Gelage). Die US-Volkswirtschaft expandiert mit mehr als 2,5 % Pro Jahr , die Arbeitslosigkeit ist so niedrig, wie seit einem halben Jahrhundert nicht mehr – und der US-Staat baut die Staatsverschuldung weiter auf. Unter Obama ist das Haushaltsdefizit von 13 auf 4 Prozent gesunken. Unter Trump ist es auf 5,5 % gestiegen – »the largest, by far, of any rich Country«, so der Economist. Fox-News, der Trump’sche Haussender, verbreitet ununterbrochen Gerüchte, wonach noch vor den Wahlen im November weitere Steuersenkungen wirksam werden. Die Republikaner setzen ihre Vision des Laissez Faire Kapitalismus um. Die wahlkämpfenden Demokraten phantasieren derweil über einen Green New Deal und ein steuerfinanzierts Gesundheitssystem, beides sehr kapitalintensive Maßnahmen.

    In diesem Umfeld legt die US-Treasury nun neue Langläufer auf.
    Sie hofft auf große ausländische Nachfrage. Am Donnerstag leistete Frau Lagarde Schützenhilfe: In Europa bleiben die Zinsen absehbar auf Null Prozent. Unter er Prämisse eines stabilen Euro-US-Dollar Wechselkurses realisieren europäische Anleger einen Zinsvorteil von ca. 2 %.

    Falls die US-Treasury die Anleihen nicht seinen ehemaligen Verbündeten veräußern kann, stehen inländische Geschäftsbanken bereit. Diese können darauf setzen, dass die FED ihnen die Papiere wieder abkauft, sobald eine krisenhafte Entwicklung sichtbar wird (siehe Wochenberichte 38 – Verschuldungsgrenzen und 50 – Fünfhundert Milliarden.)

  • USA in Klimadebatte auf Kollisionskurs
    Am Montag lieferten sich Donald Trump und Greta Thunberg ein vielbeachtetes Rededuell. Als sich die allgemeine Meinung den Positionen der Klimaaktivistin zuneigte, sah sich Steven Mnuchin, der US-Finanzminister, genötigt, auf einer Pressekonferenz nachzulegen. Ganz im Stile der hiesigen FDP stellte er die Qualifikation der jungen Frau in Frage: “Who is she? The chief economist?” und weiter: “After she goes and studies economics in college she can come back and explain that to us.”

    Für Psychologen müssen diese Offenbarungen eine wahre Freude gewesen sein. Wie blank müssen die Nerven liegen, dass so was passiert?

  • Daimler: Nächste Profitwarnung
    Seit Ola Källenius den Konzern leitet, musste er vier Gewinnwarnungen aussprechen. Jedes Quartal präsentiert der Automobilkonzern aus Untertürkheim neue negative Abweichungen von den Geschäftszielen. Diesmal werden die Gewinnziele gleich um die Hälfte eingestampft. Die LKW-Sparte machte 2,4 Mrd. € Verluste, auch der Ausflug ins Carsharing-Geschäft war mit 300 Mio. € nicht eben billig. Hinzu kommen Strafzahlungen wegen illegaler Abgasmanipulationen (870 + 900 Mio €), die nur teilweise zurückgestellt waren. Einziger Lichtblick beim Daimler: SUV’s. Der Aktienpreis ist von 96 € im Mai 2015 auf 54 € im November 2019 und auf 44 € am Freitag Abend gesunken.