Am Donnerstag bestätigte die EZB nochmals ihre Absicht, die Notenbank-Bilanz 2023 deutlich zu schrumpfen. Das Instrument der EZB: Verringerung der Ausleihungen an Banken. Damit verschlechtert sich das Finanzierungsumfeld nachhaltig und kühlt das Investitionsgeschehen effektiv ab. Die Alternative wäre eine aktive Abstoßung von Anleihebeständen. Das hätte eine Refinanzierung finanzschwacher EU-Staaten erschwert.
Die Futuresmärkte preisen weiterhin drei weitere Zinsschritte der EZB ein, bevor im Sommer 2023 oberhalb von 4 Prozent das Plateau erreicht wird.
Auch die Aktienmärkte reagierten heftig auf die Bestätigung der vorab kommunizierten Prognosen. Der EuroStoxx fiel von fast 4000 auf 3800 Punkte. Zeitgleich zur EZB-Entscheidung wurden in den USA die Einzelhandelsumsätze November veröffentlicht. Die lagen mit einem Rückgang um 0,6 Prozent deutlich hinter den Prognosen. Was jetzt Henne und was Ei war, ist schwer zu deuten. Fakt ist: Am Donnerstag wurde eine Verkaufslawine losgetreten.
In der Abb. 2, die dem Jahresausblick der Bank of America entliehen ist, ist das Besondere im aktuellen Kapitalmarktjahr dargestellt: Trotz überdurchschnittlicher Preisrückgänge sowohl bei Anleihen als auch von Aktien verkaufen US-Kleinanleger nicht.
In der jüngeren Vergangenheit senkten US-Kleinanleger während Baisse-Phasen ihre Wertpapierbestände. Inzwischen bestimmt auch in den USA das Mantra des »passiven Investments« das Anlageverhalten. Wenn dann Vorbilder, wie Waren Buffet, ausgerechnet jetzt zugreifen, bestätigt das die Entscheidung untätig zu bleiben.
Die Statistik spricht jedoch eine klare Sprache: kein nachhaltiger Trendwechsel ohne vorherige Marktbereinigung. Auch 2022 sahen passive Aktien-ETF’s wieder deutliche Mittelzuflüsse – das waren »Käufe in die Schwäche«. Wer soll Treiber einer nachhaltigen Rallye sein, wenn alle sich schon »unten« eingedeckt haben? Hieronymus steht auf der Seite der Bank of America, wonach im Jahr 2023 die notwendige Marktbereinigung stattfinden wird.
Falls die übliche »Santa Claus Rallye« 2022 trotz guter Ausgangsbasis ausbleibt, könnte das als Beginn dieser Marktbereinigung gedeutet werden. Anstatt Windowdressing würden dann zum Jahreswechsel Depots geräumt.
Angesichts stagnierender und orientierungsloser Aktienmärkte boomt in den USA der Optionshandel. Zum Quartalsverfall wurden S&P-500-Indexoptionen im Wert von 4 Billionen Dollar abgerechnet. Vor dem Verfall belief sich gemäß Bloomberg das Gesamt-Open-Interest auf 8 Billionen Dollar. Damit steigt die Amplitude der Schwingungen in der Abb. 4 auf 50 Prozent. Je größer diese Amplitude, desto kürzer sind die Laufzeiten der gehandelten Optionen. Der generelle Anstieg des Optionsvolumens ist der Attraktivität dieser Derivate in den USA geschuldet. Die stark steigende Amplitude spricht für eine Dominanz kurzfristiger Engagements und drückt damit spekulatives Interesse aus.
Bereits im Juni führte ein OpenInterest von 3 Billionen USD zu einem Ausverkauf zum Quartalsverfall. Damals markierte der Verfallstermin eine Trendumkehr. Innerhalb eines Monats kletterte der S&P 500 danach um etwa 10 Prozent.
Parallel zum Anstieg der Optionsvolumina steigt das ganze Jahr bereits das Verhältnis offener Put-Kontrakte im Verhältnis zu offenen Call-Optionen (Put-Call-Ratio) an. Zum Ausverkauf im Juni betrug es 0,7, seitdem ist der Überhang an Put-Optionen nochmals um 20 Prozent gestiegen. Gemäß Abb. 4 markierte ein derart großes Interesse an Absicherungsoptionen in der Vergangenheit größere Trendumkehrpunkte. Das hohe Put-Call-Ratio im Herbst 2008 bereitete das Preistief im März 2009 vor!
Sollten sich die Notierungen – analog zur Preisentwicklung in der zweiten Juni-Hälfte – bis in den Januar hinein erholen, kann die Entwicklung im Put-Call-Ratio zur Unterscheidung eines »echten« Aufwärtstrends von einer Baermarket-Ralley verwendet werden.
Carlyle ist eine der größten Private Equity Beteiligungsgesellschaften überhaupt. Die Gesellschaft legt für institutionelle Kunden PE-Fonds und PE-Dach-Fonds auf. Das geschieht normalerweise geräuschlos. Um so bemerkenswerter ist eine Meldung in der FT vom Mittwoch. Demnach hat das Management die geplante Schließung eines Fonds über 22 Mrd. $ auf August verschoben. Es fehlen 5 Mrd. $ Zeichnungssumme. Insbesondere Pensionskassen haben offenbar ihre PE-Budgets angesichts auskömmlicher Renditen am Anleihemarkt deutlich gekürzt.
Das Desinteresse an Carlyle-Fonds reiht sich ein in eine Reihe gescheiterter und verzögerter Projekte. Auch Apollo musste einen geplanten Buyout-Fonds mangels Anlegerinteresse vertagen.
Dieses Marktsegment spürt als Erstes die Abnahme der Liquidität am Kapitalmarkt. Die Spielregeln haben sich verändert. Überschwemmten Investoren Kapitalsammelstellen während der Nullzins-Phase mit Anlagekapital, ist inzwischen ein Wettbewerb um das knapper werdende Gut entstanden.
Das spürt gerade auch Twitter. Das Unternehmen muss jährlich 1 Mrd. $ für die Zinslast der Schulden nach der Übernahme durch Elon Musk zahlen. Das ist den Banken als Gläubiger der Kredite inzwischen zu wenig. Das Bankenkonsortium versucht, die Anleihen an den Kapitalmarkt weiterzugeben und will die Differenz zwischen erzieltem Marktpreis und gezeichneter Nominale Elon Musk bzw. Twitter in Rechnung stellen.
Substanzhaltige Anlagen können sich auf der anderen Seite vor Nachfrage kaum retten. Seit einigen Jahren emittiert ReConcept aus Hamburg Nachranganleihen am geregelten Kapitalmarkt Damit werden Projekte zur regenerativen Energieerzeugung finanziert. Die Abwendung vom grauen Kapitalmarkt hat sich gelohnt. Die Gesellschaft platziert erfolgreich höhere Volumina und bietet den Anlegern bessere Konditionen bei gleichzeitig höherer Transparenz. Der jüngste Coup: Ein Solar-Bond mit einer Verzinsung von 6,75 Prozent und einer Laufzeit von 6 Jahren. Die Zeichnung musste nach drei Wochen vorzeitig geschlossen werden. Dabei hatte sich ReConcept auf eine längere Platzierungsphase eingestellt und sogar ein Frühzeichnerbonusprogramm ausgerollt. Derartige Anleihen haben in Deutschland das Potenzial, Volksanleihen zu werden. Der ReConcept-SolarBond verzeichnete massives Interesse von Kleinanlegern im strengeren Sinne: Es wurden kleine Tranchen bis 5.000 € gezeichnet. So kann die Energiewende trotz nur mäßiger Perspektiven am Kapitalmarkt finanziert werden.