Die Marktkapitalisierung dieser Assetklasse hat sich binnen einer Woche um 27 Prozent erhöht.
Die aktuell hohe Rendite britischer Staatsanleihen setzt sich in niedrigen Marktpreisen für die Anleihen um – die Pensionskassen haben also Verluste realisiert.
Ist das systemische Derivat-Risiko der Pensionskassen damit abgeräumt? Vermutlich nicht. Zum Jahreswechsel 2021/22 waren die Pensionskassen mit 1,4 Billionen Pfund (also 1.400 Mrd. £) in Liability Driven Investments investiert, also Derivaten, die Zinsrisiken der Pensionskassen abhedgen sollten. Weder der Aufwärtstrend der Renditen noch die Phase hoher Volatilität sind Geschichte, das zeigt der Blick auf den Chart.
Bei britischen Staatsanleihen drehen die institutionellen Marktteilnehmer »am großen Rad«. Im obigen Chart sieht man zuerst die Entspannung, nachdem die neue Regierung ihre Arbeit aufnahm. Dann stellte der Finanzminister das Maßnahmenpaket “Schuldenfinanziertes Wirtschaftswachstum” vor. Die Anleihen kletterten innerhalb kurzer Zeit um 18 Prozent. Dann setzte die Notenbank ihr Anleihenaufkaufprogramm auf. Sofort gingen die Renditen fast auf das Ausgangsniveau zurück. Dies nutzten die Pensionskassen offenbar für den Exit. Am Freitag endete das Anleihenrückkaufprogramm und die Anleihenpreise notieren wieder in Schlagweite des Interventionsniveaus vor zwei Wochen.
Auch der Abwertungsdruck auf das Pfund selbst ist ungebrochen.
Das Signal der Finanzmärkte ist eindeutig: Liz Truss: Lege uns ein glaubwürdiges Konzept deiner Krisenintervention vor, sonst verkaufen wir.
Tatsächlich vergeht gerade kein Tag, an dem die frischgebackene britische Premierministerin nicht einen Baustein ihres »Wachstumsplans« kassiert. In ihrer kurzen Rede am Freitag benannte sie ausdrücklich die Preisentwicklung der britischen Währung und der Staatsanleihen als Gründe für ihr Umdenken.
Das ist natürlich hochgefährlich, gibt sie damit leichtfertig das Primat der Politik auf und führt das Land zurück ins 20. Jahrhundert. Denn: Die Abhängigkeit der britischen Politik vom Plebiszit der Finanzmarktteilnehmer ist nichts Neues. Die Spekulation George Soros gegen das britische Pfund im Jahr 1992 ist Legende. Auch damals war die Inflation wegen der Schwäche des Pfundes auf 10 Prozent geklettert. Die britische Regierung ersann den genialen Coup, das Pfund an den Ecu zu binden, dem Vorläufer des Euros. Die Finanzmärkte (inkl. Soros) spekulierten dagegen – bis Notenbank und Regierung einlenkten und das Pfund wieder frei floaten liessen.
Dieses Abenteuer kostete dem britischen Staat damals 3,3 Mrd. £.
Auch diesmal müssen wohl die Steuerzahler für die Luftschlösser ihrer politischen Repräsentanten zahlen. Der neue Finanzminister ist offenbar als Ersatz-Ersatz-Kandidat der neue starke Mann der britischen Regierung. Seine ersten Statements geben die neue Linie vor: Jungs, stellt euch schon mal auf höhere Steuern ein.
Weitere Hilfsprogramme erlauben uns die Spekulanten leider nicht.
Vor zwei Wochen preschte die ungarische Notenbank vor: Die Phase der Leitzinserhöhungen ist abgeschlossen. Ab 2023 bereiten wir uns auf erste Zinssenkungen vor.
Die Notenbank hatte die Rechnung ohne die Finanzmärkte gemacht. Hedge-Fonds bauten nach der Erklärung der Notenbank ihre Short-Positionen massiv aus. Schließlich erreichte das Währungspaar USD/HUF die Marke 445. Am Freitag zog die Notenbank die Notbremse: Der Zinssatz für Übernachtausleihungen steigt auf 25 Prozent (+9,5%).
Der Basiszinssatz bleibt (vorerst) bei 13 Prozent. Kurzfristanlagen wurden attraktiver gestaltet: Für Tagesgeld bekommt man nun 18 Prozent Zinsen.
Mit anderen Worten: Die (von der Notenbank moderierte) Zinsstrukturkurve ist extrem steil. Banken können sich zu 13 Prozent verschulden und damit auf Tagesbasis 18 Prozent Zinsen einnehmen. Mit dieser Maßnahme soll die Shortspekulation gegen den Forint beendet werden. Zugleich hofft man auf einen Zufluss von Fremdwährung (Euro + USD).
Zuvor hatte der ungarische Ministerpräsident die Zentralbank angewiesen, ihre Währungsreserven für die Begleichung von Rechnungen für Energieimporte zu öffnen. So etwas hatten die Hedge-Fonds antizipiert und den Forint in den letzten beiden Wochen massiv zugunsten des Euro verkauft. Die Währung wertet um fünf Prozent gegen den Euro ab. Die Inflation überschritt zudem die 20 Prozent-Marke.
Mit diesen Maßnahmen hat die ungarische Notenbank »taktische Atomwaffen« gegen die Hedge-Fonds gezündet, meinte ein Analyst der ING. Allein dies zeigt die Dringlichkeit der Maßnahmen und die aktuelle Macht der Finanzmärkte. Ungarn blutet für alle sichtbar förmlich aus.
Die Aggressivität der Finanzmärkte dürfte in Berlin, Warschau, Paris, Madrid und insbesondere Tokio aufmerksam studiert werden. Bislang halten sich die Reaktionen der Finanzmärkte auf die Absicht der Bundesregierung, den Löwenanteil der gestiegenen Energiekosten für Haushalte und Industrie für zwei Jahre über ein fremdfinanziertes Sondervermögen zu zahlen, in engen Grenzen.
Dieses Spannungsfeld hat das Zeug, über die Wintermonate die Finanzmärkte und darüber hinaus die Stabilität der politischen Systeme auf die Probe zu stellen.
Die Rendite für italienische Staatsanleihen hat inzwischen wieder das Krisenniveau von 2014 erreicht – trotz fortwährender Unterstützung durch die EZB. Interessanterweise hat das Ergebnis der Parlamentswahlen bislang keine Auswirkungen auf die Rendite dieser Staatsanleihen gehabt. Die Kurse mäandern seit Wochen um die Marke von 4,5 Prozent. Allerdings testen die Märkte aktuell wieder die obere Kante der Tradingrange.
Dies begrenzt die finanziellen Spielräume der neofaschistischen Regierung enorm. Vermutlich schauen sich die Protagonisten in Rom ganz genau an, wie die englische Regierung aktuell von den Finanzmarktakteuren vorgeführt wird. Ob sie die richtigen Schlüsse ziehen, wird sich zeigen.
Als George Soros 1992 die Bank of England zwang, die Bindung des Pfundes an den ECU-Währungskorb aufzugeben, brachen die Aktienkurse förmlich ein. Das ist aktuell anders. Trotz der dramatischen Entwicklungen an den Renten- und Währungsmärkten pendelten die großen Indizes in der vergangenen Woche kraftlos hin und her. Selbst die Veröffentlichung der neuesten Inflationsdaten aus den USA (Kerninflation ist nun höher als sechs Prozent) und die Erkenntnis, dass die FED ihren Zinserhöhungspfad ungebremst fortsetzen wird, ließen die Marktteilnehmer kalt. Im Gegenteil: Trotzig initiierten Aktienspekulanten eine Intraday-Rallye, die allerdings bereits am Folgetag wieder abverkauft wurde.
Es bleibt dabei: Ohne weitere Hiobsbotschaften und Kriseneskalationen sind die Aktienmärkte auch bei steigenden Marktzinsen mangels Alternativen unterstützt.
Die spinnen, die Kanadier. Mehr fiel Hieronymus nicht ein, als Brookfield bekannt gab, die seit 2018 im Besitz der Muttergesellschaft befindliche Westinghouse zur Hälfte an die Renewable Partners zu verkaufen. Die andere Hälfte geht an das kanadische Uran-Unternehmen Cameco. 2018 hatte Brookfield das Unternehmen von Toshiba übernommen. Der Kaufpreis damals: 4,5 Mrd. $. Der Transaktionspreis heute: fast 16 Mrd. $. Die Transaktion ist ein Zugeständnis an konservative US-Investoren, die Unternehmen boykottieren, wenn sie (ihrer Ansicht nach) »einseitig« auf regenerative Energieformen setzen. Wie man es auch dreht und wendet, die Transaktion hat ein »Geschmäckle«.