Besonders ausgeprägt ist die Schwäche Chinas am Off-Shore-Handelsplatz Hongkong. Hier kumulieren die »Probleme« Chinas.
Selbst die zuerst erfolgreiche Coronapolitik änderte nichts am Trend,
Das chinesische Statistikamt weist etwa zum Jahreswechsel 2021/22 einen abrupten Einbruch des Verbrauchervertrauens aus. Fast zeitgleich bricht auch die Investitionsbereitschaft in Immobilien ein. Als Ursache kann rückblickend die Insolvenz von Evergrande zugeordnet werden, damals der größte Immobilienentwickler des Landes. Inzwischen sind mindestens 28 weitere Immobilienentwicker insolvent.
Immobilien sind die Standardgeldanlage der chinesischen Mittelschicht. Die Erkenntnis, dass auch die Assetklasse Real Estate kein sicherer Hafen für Ersparnisse ist, trifft die konsumbereite Schicht ins Mark. Der Economist bezeichnet das Platzen der Immobilienblase in China als Impulsion eines Schnellballsystems. Vorher war es völlig normal, dass ein Immobilienentwickler mit den vorab kassierten Anzahlungen aktuelle Bauprojekte finanzierte. Wer eine Immobilie erwerben wollte, musste hofften, dass der Bauträger den tatsächlichen Hausbau mit Finanzströmen zukünftige Interessenten bezahlen konnte.
Die Bedeutung des Immobilienmarkts kann gar nicht überschätzt werden: 70 Prozent des Vermögens der chinesischen Mittelschicht ist in Immobilien gebunden, selbst bewohnten und vermieteten. Die Immobilienbranche erwirtschaftet(e) 20 Prozent des chinesischen Bruttosozialprodukts. Die Neubaupipeline ist riesig: Nur 60 Prozent der seit 2013 per Abschlagszahlung vorfinanzierten Neubauten wurden übergeben. Die Größenordnung der nicht fertiggestellten Immobilien kann mittels der Abb. 3 abgeschätzt werden: Nimmt man den tatsächlich begonnenen Neubau von 1 Mio Quadratmetern pro Monat als Maßstab, dann sind aktuell über 43 Mio. Quadratmeter ( 575 Tausend Wohnungen ) unvollendet. Mindestens eine halbe Millionen chinesische Familien der Mittelschicht wissen nicht, ob sie ihre Anzahlungen je wiedersehen und ob sie überhaupt jemals eine eigene Immobilien besitzen werden. Das erklärt den nachhaltigen Einbruch des Verbrauchervertrauens.
Guo Guangchang ist ein chinesischer Selfmade-Businessman (und Milliardär). Er ist CEO von Fosun, einem Beteiligungsunternehmen, dass selbstbewußt behauptet, die moderne Berkshire Hathaway zu sein.
Nun – der Chart spricht eine andere Sprache
Der wohl wichtigste Unterschied: Fosun ist hoch verschuldet (38 Mrd. $ Verbindlichkeiten bei einer Marktkapitalisierung von 41 Mrd. $), während Berkshire Hathaway eher eine zu üppige Cashposition vorhält.
Fosun ist eigentlich gut positioniert. Kerninvestments sind: Versicherungen, Freizeit und Tourismus, Banken, Private Equity, Healthcare. Das Unternehmen betreibt daneben ein Stahlwerk und ist auch Metallhändler. Last not Least gehört (natürlich) eine Immobiliensparte dazu. Die Gesellschaft hält Beteiligungen in 20 Ländern. Etwa die Hälfte aller Assets befinden sich dort.
Fosun ist Global Player und gleichzeitig ein chinesisches Unternehmen. Es liefert eine ideale Projektionsfläche für Investmentrisiken. Den Auslandsbeteiligungen weht der kalte Wind des Protektionismus ins Gesicht, in China stehen die Imperien der Selfmade-Milliardäre unter verschärfter Observation des Staats.
Am Kapitalmarkt dominiert bei Fosun eine Skepsis, die allen hochverschuldeten chinesischen Unternehmen nach dem Zusammenbruch Evergrandes entgegenschlägt. Anfang September verkündete Fosun, die Beteiligung an der börsennotierten Shanghai Fosun Pharmaceutical um drei Prozent reduzieren zu wollen. Dies ist ein für eine Beteiligungsgesellschaft völlig normaler Vorgang. Am Markt halten sich seitdem hartnäckig Spekulationen, dass Fosun auf Druck der Kommunistischen Partei seine Verschuldung abbauen muss oder von seinen Hausbanken zum Verkauf genötigt wurde. Der Aktienpreis ging daraufhin von 6 auf 4,5 HKD zurück.
Wegen der unverkennbaren Probleme im Immobiliensektor laufen in ganz China Rettungsprogramme an, die im Wesentlichen versuchen, die Schulden innerhalb der Wertschöfpungskette der Immobilienwirtschaft bezahlbar zu machen. Hoch verschuldete Unternehmen bekommen Staatsbürgschaften und können sich dann zu Sonderkonditionen refinanzieren. Auch Fosun könnten diese Programme offen stehen. Ferner dürfte Fosun von allen potenziellen Erfolgen der Behörden profitieren, die chinesische Volkswirtschaft zu stabilisieren. Das Unternehmen ist ein veritabler Kandidat fürs Bottom Fishing.
Das Unternehmen wird derzeit mit einem KGV von 4,2 bewertet. Im Januar 2018 kostete eine Aktie zeitweise mehr als 19 HKD, fast viermal so viel, wie aktuell. So überbewertet die Aktie im Januar 2018 war, so preiswert ist sie jetzt. Geht man davon aus, dass die aktuell herumgereichten Befürchtungen der Errichtung eines neuen Eisernen Vorhangs übertrieben sind, stellt ein Investment in die Fosun eine wohl begründete Spekulation auf den Fortbestand der internationalen Arbeitsteilung und grenzüberschreitender Zusammenarbeit dar.
Am Freitag verfielen Optionen und Futures (großer Verfall). Die Börsen notierten hohe Umsätze und in der Breite fallende Marktpreise. Die großen Aktienindizes haben die Preisaufschläge im Rahmen der Sommerrallye komplett abverkauft und notieren in Schlagdistanz zu den bisherigen Jahrestiefs. Noch halten sich die Aktienmärkte an das Drehbuch für Seitwärtsmärkte: Sowohl die Preisober- als auch die Preisunterseite einer Tradingrange werden ausgiebig getestet.
Es gilt weiterhin die Aussage, »die massive Skepsis der Marktteilnehmer ist die wichtigste Stütze für die Marktpreise«. Dies verhinderte bislang den weiteren Ausverkauf. Fakt ist allerdings auch: Je länger eine Tradingrange existiert, desto größer ist das Preispotenzial nach deren erfolgreichen Verlassen. Wann dies passiert und welche Richtung eingeschlagen wird, ist pure Spekulation.
Nimmt man die Saisonalität zum Vorbild, bildet der Markt in den kommenden drei Wochen ein Preistief aus. Danach stände eine positive Preisentwicklung bis zum Jahresende auf der Agenda. Angesichts der aktuellen Trendsituation übersetzt sich die positive Perspektive als Fortsetzung des aktuellen Seitwärtsregimes.
Vor dem Hintergrund eines ungewissen Konjunkturverlauf im Winterhalbjahr ist aber auch eine Fortsetzung der Markttrends recht wahrscheinlich. Fürs »Bottom Fishing« sind sowohl Kapitaleinsatz als auch
Investmentzeitrahmen sehr bewußt zu wählen.
P.S. Die in den zurückliegenden Wochenberichten vorgestellten, »ausverkauften« Werte SEA und Azure haben ihre Bodenbildung seither fortgesetzt und keine neuen Tiefs ausgebildet. Entgegen der aktuellen Marktschwäche kommt kein neuer Verkaufsdruck auf. Wie belastbar diese Beobachtung ist, wird sich zeigen.