Das Ergebnis unterscheidet sich signifikant von der optischen Inspektion:
Danach entspannt sich das Lieferkettenproblem seit Mai. Die Daten werden monatlich aktualisiert, das jüngste Update erfolgte am 5. Juli. Die TOP-Bildung dieses Indikators wurde bestätigt. Aktuell sind die Lieferketten weniger gespannt als im Juni 2021. Hierfür sind – trotz visuellem Stau – verkürzte Lieferfristen im sino-amerikanischen Pazifikhandel verantwortlich.
Wenn die Renditen für kurzlaufende Anleihen höher sind als die von Langläufern, ist die Zinsstrukturkurve invertiert. Dann liegt eine Marktstörung vor. Denn: Renditen von Anleihen sind Risikokennzahlen. Langlaufende Anleihen sind grundsätzlich risikobehafteter als identische mit kürzerer Laufzeit. Sie sollten deshalb eine höhere Verzinsung bieten.
Üblicherweise wird diese Abnormalität mit einer bevorstehenden Rezession erklärt.
Das Narrativ für diese Erklärungsvariante lautet: Der Inflationsschock des Frühjahrs bewirkt massive Verhaltensänderungen der Konsumenten. Die Absätze gehen zurück, Unternehmensgewinne brechen ein, die Arbeitslosigkeit steigt. Der Zinsanstieg bei Kurzläufern ist der Erwartung höherer Zahlungsausfälle für ausgegebene Anleihen geschuldet.
Eine andere Erzählung beginnt ebenfalls mit der Inflation. Danach zwingt der Inflationsschock die Notenbanken zu drastischen Zinsanhebungen. Variabel verzinste Hypotheken sind in diesem Szenario Zeitbomben. Hoch verschuldete Unternehmen sind ebenso existenziell gefährdet wie hoch verschuldete Staaten. Das Ergebnis wäre ein durch die Notenbank verursachtes »Hard Landing« nach dem Muster des Volcker-Schocks aus dem Jahr 1979.
In der Abbildung 2 ist der Gleichklang der Zinsentwicklung bis November 2021 gut erkennbar. Danach divergieren die Renditen kurz- und langlaufender Anleihen. Im Juni 2022 zeichnet sich ein erneuter Regimewechsel ab. Die Marktteilnehmer erkennen (oder hoffen), dass die düsteren Prognosen übertrieben waren. Die Anleiherenditen stabilisieren sich. Eine Plateau-Bildung zeichnet sich ab.
Am Donnerstag verkündeten Analysten der Deutsche Bank: Die US-Inflation wird 2025 wieder unter zwei Prozent gesunken sein.
Sie verglichen die Marktpreise von inflationsgeschützten Staatsanleihen (TIPS) mit denen der ungeschützten Variante. Das Argument: Die Versicherungsprämie für den Inflationsschutz ist in den letzten Wochen förmlich zusammengebrochen. Niemand sieht auf dem derzeitigen Renditeniveau einen Grund, sich gegen weiter steigende Zinssätze abzusichern. Im Gegenteil: Die aktuellen Anleihenpreise werden als Kaufgelegenheit wahrgenommen (Siehe auch Ausverkaufspreise für Renten-ETF). Insgesamt verdichten sich die Anzeichen für eine Erschöpfung der preisreduzierenden Marktprozesse.
Wer erinnert sich an den Film The Big Short? Ein Hedgefundmanager wettet gegen den US-Immobilienmarkt und das Establishment. Obwohl die Einschätzung des Fondsmanagers vollkommen richtig waren, sind die Investments des Fonds die meiste Zeit deutlich unter Wasser. Die Haupterkenntnis: Wer gegen den Strom wettet, braucht einen (sehr) langen Atem. Der finale Erfolg hat einen hohen menschlichen Preis: Am Ende des Films geht die Spekulation zwar auf und alle sind reich. Auf dem Weg sind jedoch etliche Freundschaften zerbrochen und die Zukunft des Fonds selbst ist fraglich.
Michael Burry, der im Film porträtierte Fondsmanager, nutzt heute die sozialen Medien als Bühne zur Selbstvermarktung. Noch im Mai trommelte er auf Twitter für weitere Kursverluste. Inzwischen hat er seine Meinung geändert. Er ist wieder als Kontrarain unterwegs und spekuliert auf ein Comeback des US-Aktienmarkts. Seine Annahme: Die von der FED angekündigten und am Markt weitgehend eingepreisten Zinsschritte finden nicht statt. Die Inflationserwartungen sind stark rückgängig. Das ermöglicht der FED eine Abkehr von der derzeit restriktiven Geldpolitik.
Auf Jahressicht hat der Ark Innovation ETF 62 Prozent seines Werts verloren. Der von der charismatischen Cathie Wood gemanagte ETF investiert in derzeit wenig profitable Unternehmen mit Zukunftspotenzial. Die größten Bestandspositionen: Zoom, Tesla, Roku. Hieronymus sieht in keinem dieser Unternehmen adäquates Zukunftspotenzial. Deshalb war der ETF bisher keine Anlageoption. US-Privatanleger sehen das offenbar anders: Trotz des massiven Kursrückgangs verzeichnete der ETF im ersten Halbjahr signifikante Mittelzuflüsse. Die Fondsgesellschaft veröffentlichte gerade das Halbjahresergebnis. Danach flossen 1,5 Mrd. $ in den ETF. Professionelle Marktteilnehmer sind skeptisch – ETF-Anteile im Wert von 1,23 Mrd. $ wurden geshortet, Tendenz steigend.
Wir wohnen einem interessanten Experiment bei: Privatanleger setzen auf eine langfristige Outperformance des transparenten, aggressiven und risikoaffinen ETF’s; Institutionelle Marktteilnehmer wetten fast fanatisch dagegen.
Mit der Veröffentlichung der Absatzzahlen des ETF müssen die hohen Umsätze seit dem Jahreswechsel als langfristiges Interesse von US-Privatanlegern interpretiert werden, die auf eine Wiederholung der Performance des Jahres 2020 hoffen.
Kleine Notiz am Rande: Die im letzten Wochenbericht vorgestellte Shopify wurde von Cathie Wood gerade öffentlichkeitswirksam in den ETF aufgenommen.
Krypto-Investments büßten seit dem Jahreswechsel zwischen 50 und 90 Prozent an Marktkapitalisierung ein. Rückblickend markierte das im Wochenbericht 24 thematisierte Lehman 2.0 den finalen Ausverkauf. Eine Trendwende kann erst bei Ethereum-Notierungen oberhalb von 2.000 $ ausgerufen werden. Anders als bei Aktien, wird die Bodenbildung im Kryptobereich mehrheitlich von skeptischen Marktkommentaren begleitet. Hier sitzt der Schock ob der starken Preisrückgänge so tief, dass eine depressive Marktstimmung attestiert werden kann. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass über die Sommermonate ein belastbarer Preisboden eingezogen wird und ein neuer Zyklus bevorsteht.
Im Zuge der Preiskapriolen sortierte sich das Feld der konkurrierenden Kryptowährungen. Die großen Verlierer (Terra, Cardano, Polkadot, Solana, Avalanche) wurden häufig in den Medien besprochen. Relative Outperformer dagegen nicht. Die in Asien im Gaming-Bereich populäre Blockchain Tron ist einsamer Outperformer. Bis auf die Tatsache, dass deren Marktkapitalisierung wieder steigt, gibt es keine News. Die Outperformance der Währung vollzieht sich so abseits der Öffentlichkeit.
Es ist an der Zeit, die Rubrik Digitale Zukunft zu aktualisieren und absehbare Trends des anstehenden nächsten Entwicklungzyklus des Krypto-Segments herauszuarbeiten.
Der nächste Wochenbericht erscheint urlaubsbedingt erst in zwei Wochen.