Die Ereignisse in der Ukraine fasst der Economist in der aktuellen Ausgabe unter der Überschrift “Die Stalinisierung Russlands” zusammen. Die Redaktion erkennt deutliche Parallelen der Gegenwart mit der unmittelbaren Nachkriegszeit Russlands unter Stalin, inklusive Heldenverehrung und endemischer Gewaltexzesse.
Während unsere Augen auf die Ukraine gerichtet sind, zieht China die Regulierungssschrauben gegenüber den großen nationalen Internetgiganten weiter an. Gleichzeitig macht die die US-Börsenaufsicht SEC ernst: Chinesischen Unternehmen1 , die ihr Berichtswesen nicht buchstabengetreu den US-Vorschriften entsprechend angepasst haben, wird das US-Börsenlisting entzogen. Dies ist keine protektionistische Maßnahme. Es fällt den betroffenen Unternehmen offenbar schwer, ein Erstatzlisting in Hongkong zu bekommen, weil sie selbst den dortigen laxeren Kriterien nicht nachkommen können.
Die Perspektivlosigkeit spiegelt sich im »Nasdaq Golden Dragon China Index« wieder. Im Wochenverlauf ging es 10 Prozent in den Keller.
Der Preisverfall der Alibaba-Aktie (310 $ im Oktober 2020; 85 $ aktuell) ist ein Spiegelbild der Entkopplung der chinesischen Ökonomie von der des Westens. Die Aktie ist einfach nur billiger geworden. Die Umsätze des Unternehmens sind in diesem Zeitraum von 221 Mrd. auf 243 Mrd. $ gestiegen.
Aktuell ist die Aktie nach westlichen Maßstäben fair bewertet: KGV: 16, gegenüber 32 im Q4, 2020. Auf dem aktuellen Preisniveau ist Alibaba ein klarer Kauf – nicht in den USA, sondern in Hongkong (Kürzel: 9988). Mindestens ebenso interessant ist die Aktie von JD.com (9618), deren Preis in den USA sich gerade dynamisch zur Unterseite entfaltet (Feb: 78$, aktuell: 48 $).
Gleiches gilt für Prosus, den Tencent-Proxy aus den Niederlanden.
Allgemein könnten die chinesischen Internetgiganten von dem Handelsembargo des Westens gegenüber Russland profitieren, wenn China als Gegenleistung für eine neutrale Haltung Zugeständnisse beim Marktzugang chinesischer Firmen in Russland verlangt.
Auch den US-Internetgiganten weht eine kräftige regulatorische Brise entgegen. Die Mühlen der Bürokraten in Brüssel lassen sich nicht vom Krieg in der Ukraine beeinflussen. Die EU hat diese Woche eine neue Ermittlung auf den Weg gebracht (Code: Jedi Blue). Die Behörden bezichtigen Google und Meta (Facebook) einer wettbewerbsverzerrenden Absprache bei Onlinewerbung. Danach bündelten die Konzerne ihre Methoden zur Platzierung personalisierter Werbeeinblendungen.
Nun – regulatorische Angriffe auf die Geschäftsmodelle der Internetgiganten sind nichts neues. Bisher hatte dies nur kurzfristige Auswirkungen.
Sie waren die Darling’s der Post-Corona-Periode: HedgeFunds mit aggressiven Wetten auf hochkapitalisierte Technologie-Aktien. Nun ist die Party zu Ende und Katerstimmung macht sich breit. Die FT berichtet, dass die Mehrheit der Fonds trotz heftiger Buchwertverluste an ihren hochspekulativen Wetten festhalten würden. Am Mantra des Bonbons passiven Investments wird trotz heftigster Kritik und massiven Mittelabflüssen festgehalten.
Hieraus lässt sich nur ein Schluß ableiten: Die Korrektur bei Technologieaktien ist keinesfalls beendet. Die Preise haben sich zwar ein Stückweit normalisiert, die Stimmung ist aber noch viel zu optimistisch für eine Trendumkehr.
Der Chart zeigt, dass die Korrektur weiter fortgeschritten ist, als im Frühjahr 2020. Interessant auch: Die Dynamik der Kursverluste ist seit dem Jahreswechsel konstant. Die Preisanpassung ist augenscheinlich unabhängig von den Vorgängen in der Ukraine.
Dies zeigt sich bei einem oberflächlichen Vergleich mit dem Preismuster des japanischen Aktienmarkts. Seit dem Jahreswechsel korrelieren die sehr unterschiedlichen Indizes.
Das lässt nur einen Schluß zu:
Die Vorgänge in der Ukraine liefern einen Vorwand, längst fällige Preiskorrekturen an den Finanzmärkten zu orchestrieren. Die eigentliche Triebkraft für die Entwicklung ist eine Kombination aus höheren Marktzinsen, abnehmender Liquidität und steigenden Inflationserwartungen.
Das letzte Black Swan Ereignis traf die Aktienmärkte im März 2020. Rückblickend war das eine gute Gelegenheit für einen Positionsaufbau. Viele Aktien haben auch in den letzten beiden Wochen sehr deutlich korrigiert.
In der vergangenen Woche schlugen die Schnäppchenjäger wieder zu und hievten die Assetpreise in Europa um 400 Punkte. Gleich zweimal prallten die Notierungen an der Marke: 3800 Punkte ab.
Der Abwärtstrend ist auch bei europäischen Aktien vollkommen intakt. Mehr noch: Schnäppchenjäger haben ihre Wetten auf eine Wiederholung der dynamischen Preisrallye platziert. Sollte die Lösung des Konflikt in der Ukraine nicht im Sprinttempo erfolgen, sondern die Qualitäten eines Marathonlaufs erfordern, stehen auch in Europa weitere Preissenkungen auf der Agenda.
Trotz der geopolitischen Eskalation gehen die meisten Marktteilnehmer weiterhin von einer konjunkturell unterstützten Marktentwicklung aus. Flossbach und Partner fragen auf LinkedIn potenzielle Kunden nach ihrer Einschätzung der Preisentwicklung von Aktien 3, 6, 9 und 12 Monate nach einem politisch begründeten BlackSwan-Ereignis. Noch sind die Stimmen, die kriegsbedingt vor einer rezessiven Entwicklung warnen, in der Minderheit. Hieronymus hat den Eindruck, dass viele aus der Fehleinschätzung aus dem Frühjahr 2020 gelernt haben und nun alle Risikopfade ausblenden.
Positiv stimmen die unablässigen Versuche, Russland an den Verhandlungstisch zurück zu holen. Vielleicht gelingt es ja, mit einer gemeinsamen Kraftanstrengung, für Russland einen gesichtswahrenden Ausweg aus der verzwickten Situation zu finden.
Ein Non Fungible Token, zu Deutsch: nicht vermehrbares Ding, ist ein unverrückbar an eine öffentlich einsehbare Blockchainadresse gebundener SmartContract, der ein Besitzverhältnis eines digitalen oder realen Gegenstands bzw. eines Vertrags begründet. Man kann prinzipiell alle Besitz- und Vertragsverhältnisse per NFT darstellen. Auf der Algorand-Blockchain sind beispielweise NFT’s handelbar, die den Besitz eines Anteils an einem (realen) Haus begründen. Die Krypto-Eigentümer erhalten selbstverständlich anteilige Mieteinnahmen, müssen auf der anderen Seite auch für Reparaturen aufkommen.
Dem Markt für Immobilien-NFT’s ist eine goldene Zukunft beschieden. Zuerst müssen jedoch fast überall regulatorische Hürden überwunden werden, um bspw. in Deutschland NFT-Eigentümergemeinschaften normalen Teileigenstumsgesellschaften gleichzustellen.
Das größte Anwendungsgebiet für NFT’s sind derzeit Kunstobjekte. Den Anfang machten per Algorithmus generierte digitale Bilder, die sich in Nuancen unterscheiden und als Sammlerstücke gehandelt werden. Der Markt hat viele Gemeinsamkeiten mit Briefmarken-, Münz- oder auch Weinsammlern. Im Dezember 2021 betrug die Marktkapitalisierung des NFT-Segments 41 Milliarden Dollar. Das ist grob die Marktkapitalisierung des globalen Markts für Gegenwartskunst.
Der größte Handelsplatz ist Open Sea. Dort nimmt das Handelsvolumen seit dem Jahreswechsel kontinuierlich ab. Weniger Umsatz geht häufig mit sinkenden Marktpreisen einher. Das lässt sich am NFT-Marktsegment anhand der Marktkapitalisierung der großen Sammelstückreihen ablesen. Die bekannteste, der Board Ape Yacht Club ist seit Dezember um ein Viertel preiswerter geworden. Insbesondere seit dem Kriegsbeginn in der Ukraine sind NFT’s massenhaft abgestoßen worden. Die Bewertung der Sammlerreihen ist weiterhin hoch, weil sich viele Sammler zu langfristigen Engagements bekannt haben.
Hieronymus wertet dies als gesunde Entwicklung. Die Preisentwicklung des vergangenen Jahres konnte nicht nachhaltig sein.
Das eigentliche Potenzial von NFT’s liegt ohnehin außerhalb des Finanzmarkts. Die Fähigkeit, Verträge und Eigentumsverhältnisse für physische und digitale Assets zu beglaubigen, hat ein unglaublich disruptives Potenzial. Die relevanten Blockchains stellen die Infrastruktur hierfür und profitieren indirekt.
Die akut vom Delisting betroffenen Firmen: Yum China, biotechs BeiGene, Zai Lab und HutchMed, und ACM Research . An US-Börsen sind chinesische Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von 4 Billionen US-Dollar gelistet. ↩