Allerdings bleibt das planmäßige Passagieraufkommen unter dem des Vorjahres. Bei Inlandsflügen ist die Diskrepanz noch deutlicher. Man plant, die eigene Bevölkerung im April in ihre Frühlingsferien-Destinationen zu fliegen. Danach wird der nationale Flugverkehr nur noch halb so groß sein, wie 2019.
Die chinesische Führung nimmt also an, dass die Nachfrage nach Flugreisen für den Rest des Jahres schwach bleibt.
Zum kalendarischen Frühlingsanfang ist der überwiegende Teil der Bevölkerung der Industrie- und Schwellenländer aufgerufen, sich sozial weitgehend zu isolieren. Die Regierungen stellen eine Lockerung dieser Maßnahmen für die dritte April- oder erste Maiwoche in Aussicht. Die Welt wird also noch weitere vier bis sechs Wochen sozial und ökonomisch im Notbetrieb laufen.
Hieronymus versteht zwar nicht, warum man die Maßnahmen bereits im Mai aufheben kann, wenn bis dahin definitiv keine COVID-19-Impfung verfügbar ist und nur eine Minderheit immunisiert ist. Nehmen wir trotzdem an, dass der Zeitplan eingehalten werden kann. Was wären die ökonomischen Konsequenzen?
Die Quarantäne des Landes im Februar vertrieb das Corana-Virus aus dem Land. Die ökonomischen Konsequenzen:1
Ähnliches ist für März/April im globalen Maßstab zu erwarten.
Im Best-Case hat die COVID-19 Pandemie ähnliche ökonomische Konsequenzen, wie die Finanzkrise des Jahres 2007/8.
Damals war der Finanzmarkt die Ursache. Durch rückblickend einfache geldpolitische Maßnahmen konnte die globale Ökonomie wieder auf Kurs gebracht werden.
Die aktuellen Verwerfungen gleichen aber eher Kriegsfolgen. Für viele ist es unmöglich, ihren Beruf auszuüben. Der Krieg dauert immer noch an. Der Weg zurück zur Normalität ist versperrt.
Stimmen die Rahmenbedingungen, erholen sich Volkswirtschaften nach kriegerischen Handlungen rasch. Die Industriestaaten versuchen in seltener Einigkeit, diese Rahmenbedingungen herzustellen. Das Vorbild ist der Wiederaufbau nach dem zweiten Weltkrieg.
Der Schönheitsfehler: Ein Wiederaufbau erfordert Ruinen gleich welcher Art.
Taiwan war besonders stark von der ersten SARS-Epidemie betroffen. Damals lernte die kleine Volkswirtschaft mit sozialer Distanzierung umzugehen.
Die Abbildung 3 zeigt die ökonomischen Folgen: Der SARS-bedingte, wirtschaftliche Abschwung des Jahres 2003 belief sich auf drei Prozent des BIP. Nach der Elimination des Virus erholte sich die Wirtschaft sehr schnell. Die Finanzkrise des Jahres 2007/8 hatte ähnliche Konsequenzen: Einem Abschwung von vier Prozent folgte ein Aufschwungpeak mit einem Wirtschaftswachstum von acht Prozent.
Optimisten orientieren sich in ihrer Prognose an dieser Entwicklung.
Essentiell für eine ökonomische Heilung ist eine sehr rasche Rückkehr zur Normalität. Nur dann sind die aktuellen negativen Entwicklungen reversibel. Hierauf sind die massiven fiskalischen und monetären Hilfspakete ausgerichtet.
Selbst wenn die Kalkulation der Strategen in den Planungsstäben der G7-Staaten aufgeht und die ökonomischen Folgen bis zum Jahresende verdaut sind, ist völlig unklar welche Nebenwirkung die gegenwärtige Therapie hat.
Der Ölpreis-Schock des Jahres 1973 definiert den jüngsten globalen Konjunktureinbruch, der seine Ursache nicht im Finanzsektor hatte. Die damalige Zäsur markiert zurückblickend das Ende der Wiederaufbauphase nach dem zweiten Weltkrieg. In der Folge musste die Welt mit Stagnation und Inflation umgehen. Die COVID-19-Pandemie legt die Axt an Geschäftsmodelle an, die nur dank intensiver fossiler Energienutzung profitabel sind2: Fern- und Kreuzfahrttourismus, Individualmobilität, komplexe Wertschöpfungsketten, industrielle Landwirtschaft. Es befeuert die Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle. Immerhin.
Vernichtung von Marktkapitalisierung: 23 Billionen US-Dollar
Innerhalb eines Monats führten Kursverluste an den Finanzplätzen der Welt zu einer virtuellen Vermögensvernichtung von 23.000 Milliarden US-Dollar. Diesen Verlusten stehen zugesagte Hilfsmaßnahmen von bisher etwa 4 Billionen US-Dollar entgegen, davon sind 1,7 Billionen fiskalischer Natur, etwa zwei Prozent des globalen BIP.
Man beachte auch: Die Abflüsse entsprechen gerade der Summe der Mittelzuflüsse seit Jahresbeginn. Erschreckend ist nicht die Quantität der Rückgabe der Fondsanteile sondern deren Dynamik.
Was mögen die Beweggründe sein? Hieronymus fallen gleich mehrere Ursachen ein: Erstens die Furcht vor einer massiven Verschlechterung der Bonität der Emittenten der Anleihen. Bereits überschuldete Staaten legen fleißig neue Anleihen auf, deren Renditen durch Aufkaufprogramme der Notenbanken verzerrt sind (hohes Risiko bei minimalster Verzinsung). Zweitens erhalten Unternehmen großzügige, staatlich gedeckte Kreditlinien. Auch wenn die Staatskredite nachrangig sind, kann kein Unternehmen deren Bedienung aussetzen. Damit erhöht sich das Ausfallrisiko für alle Gläubiger. Folglich tendieren Anleihenpreise schwächer. Drittens hatten Anleihen-Engagements bislang keinerlei Inflationspuffer. Die massiven staatlichen Rettungspakete induzieren aber mit sehr großer Wahrscheinlichkeit Inflation auf breiter Ebene. Drei Giftpillen für Gläubiger.
Gemäß der NewYorkTimes weist allein New York am 21.3. offiziell über 7.000 COVID-19-Fälle aus, mehr als Norwegen, Schweden oder die Schweiz.
Für NYC werden erste Konsequenzen gerade sichtbar. Die Umsätze der jetzt geschlossenen Bars und Restaurants fallen um 80 Prozent. Die Stadt erwartet, dass Hotels bis Juni geschlossen bleiben müssen. Der Einzelhandel muss einen Umsatzrückgang von 60 % verkraften – bisher. US-Unternehmen sind deutlich höher verschuldet, als ihre europäische oder gar asiatische Konkurrenz. Vielen helfen nur noch direkte staatliche Zuschüsse – ein Novum im Mutterland des Kapitalismus.
EuroStoxx: Versuch einer Preisstabilisierung
Am Freitag verfielen Futures und Optionen (großer Verfallstag). Innerhalb eines Monats ist der Index mehr als 40 Prozent preiswerter geworden. Entsprechend groß waren die Schieflagen bei den Derivaten. Am Freitag versuchten einige Marktteilnehmer einen Teil ihrer Wetten zu retten. Wir sahen teilweise extreme Preisschwankungen.
Im Ergebnis hat dies im Tageschart einen zaghaften Preisboden ausgebildet. Wie tragfähig dieser ist, muss sich zeigen.
Trotz stetig zuspitzender Krisenmeldungen und immer klareren ökonomischen Konsequenzen der Pandemie schwankte der Index in der vergangenen Woche in einer breiten aber dezidierten Handelsspanne. Die Volatilität ist unter 70 Prozent gefallen. Dieses Niveau korrespondiert im Abwärtstrend mit einem Marktpreis des Index von etwa 3.000.
Quelle: Aktuelle Ausgabe des Economisten ↩
Es ist kein Zufall, dass die COVID-19-Pandemie zeitgleich mit dem massiven Verfall der Ölpreise auftritt. ↩