Die Corona-Pandemie hat die Volumina der Anleiheaufkäufe in neue Dimensionen geführt. Erstmals werden Anleiheaufläufe der Zentralbanken mit massiven fiskalischen Maßnahmen verknüpft.
Finanzmärkte sind chaotische Systeme zur Dispersion von Geld. Preistrends gleichen damit dem Wetter als Observable des Makrogeschehens.
Wie bei der Wetterentwicklung kommen Kausalitäten nur fragmenthaft vor. Auf die Kältewelle folgte in Deutschland übergangslos eine ungewöhnlich warme Periode.
Beim Wettergeschehen liefert die jahreszeitliche Zyklik Hinweise auf den weiteren Verlauf. Das ist an den Finanzmärkten anders. Niemand weiss, ob die absurden Preiskapriolen bei Pennystocks oder die teilweise spektakulären Preistrends bei Einzeltiteln nur eine transiente Erscheinung sind. Marktastrologen interpretieren diese als Warnsignale der Finanzmärke an die Notenbanken, den Geldregen nicht zu überspannen.
r/Wallstreetsbets hat es übrigens in die tägliche Berichterstattung der US-Finanzsender geschafft. Moderatoren von MsNBC oder Bloomberg berichten täglich, welche Wetten gerade lanciert werden und liefern Hintergrundinformationen aus diffusen Quellen.
Angesichts der Vielzahl von Kommunikationskanälen für die publikumswirksame Präsentation von Ideen für neue Wetten auf Preisbewegungen bei Einzeltiteln, stellt sich die Frage, ob hier nicht systematische Marktmanipulation betrieben wird. Reddis, Twitter, Facebook, MsNBC, Bloomberg &Co rüsten die neuzeitlichen Goldsucher mit Spaten und Hinweisen für ihre Exploration aus. PR-Abteilungen der Hedge-Funds sorgen für einen nie versiegenden Nachrichtenstrom. Die Notenbanken stellen als Treibstoff den Geldstrom sicher. Algorithmen der Hedge-Funds fischen schließlich intensiv in den neuen Jagdgründen.
Was im Kleinen Stoff für Annekdoten und reißerische Zeitungsartikel liefert hat im größeren Maßstab systemrelevante Konsequenzen.
In den 1980er Jahren rechtfertigte die Dominanz der japanischen Exportindustrie zumindest den Anfang des Preistrends am Aktienmarkt. Im Jahr 2021 kämpft das überalterte Land mit der Coronapandemie und macht sonst allenfalls durch sein Festhalten an der Olympiade im Sommer Schlagzeilen.
Plötzlich und unerwartet macht sich der Leitindex Nikkei in dieser Gemengelage auf, die Tradingrange 20.000 bis 25.000 zu überwinden.
Japan leistet sich bereits seit 20 Jahren negative Marktzinsen. Inländische Aktieninvestments liefern nur unterdurchsnittliche Renditen. Gleichzeitig müssen Renten- und Pensionskassen sowie Lebensversicherer am Kapitalmarkt regelmäßige Zahlungsströme generieren. Hierfür wurden und werden systematische Optionsverkäufe genutzt.
Diese Praxis hatte in der Vergangenheit eine systemstabilisierende Funktion. Ein großes Angebot an Optionen senkt deren Preise, die Kennzahl Implizite Volatilität ist niedrig. Der Markt wird allgemein als wenig spekulativ wahrgenommen. Was aber, wenn diese Wahrnehmung sich als Illusion erweist?
Die Entfaltung der japanischen Aktienmarktblase im 20. Jahrhundert ist ausführlich im Beitrag Der Wal im Haifischbecken ausgeführt. Bereits damals waren Optionen ein wesentlicher Bestandteil des Marktgeschehens. Es liegt der Verdacht nahe, dass Softbank aktuell disruptiv in heimischen Gewässern unterwegs ist und eine Wiederholung seiner _Nasdaq_Spekulation orchestriert.
Der Unterschied zum Sommer 2020: Die angewandte Methode ist inzwischen Allgemeingut. Der Überraschungseffekt des Jahres 2020 ist nicht mehr vorhanden. Die japanischen Kapitalmärkte sind zudem ungleich besser reguliert, als die us-amerikanischen. In Japan spielen Internetforen zur Kommunikation der zu platzierenden Wetten nur eine untergeordnete Rolle. Es ist nicht auszuschließen, dass die Preisbewegung im Einvernehmen mit den Regulierungsbehörden induziert wurde.
Das besondere des japanischen Markts: Institutionelle Investoren platzieren ihre Stillhaltergeschäfte im wesentlichen OTC. Niemand weiss genau, wieviele offene Positionen vorhanden sind und welche Preisniveaus kritisch sind.
Im Falle des Nikkei konnte aber recht gut geraten werden. Sehr viele Call-Optionen waren mit einem Strike knapp oberhalb der etablierten Tradingrange (also bei 25.000 Punkten) platziert, gleichzeitig Put-Optionen am unteren Ende, also mit deinem Strike 20.000 Punkten. Solange der Index zwischen den Grenzen hin und her pendelt, generiert die Handelsstrategie prognostizierbare Erträge. Falls die Preise stark fallen, ist man sich einer Intervention der japanischen Notenbank sicher. Bleibt also nur das Risiko stark steigender Notierungen, das wegen des anämischen Wirtschaftswachstums vernachlässigbar ist.
Überschreiten die Notierungen dennoch die Marke von 25.000, passiert erstmal nichts. Die aufgesetzten Handelsstrategien liefern zwar weniger Erträge, als geplant. Verluste sind aber erst oberhalb von 27.000 oder gar 28.000 zu erwarten.
Genau das orchestrierten aber die spekulativen Marktteilnehmer. Die institutionellen Investoren waren gezwungen, entweder ihre Positionen mit Verlust zu schließen (also einen Call zu kaufen) oder ihre Strategien mit einem Future abzusichern. Beides befeuert die Preisdynamik: Werden im größeren Maßstab Call-Optionen erworben, macht die Gegenparteai (Der Marketmaker einer Bank) eine risikolose Gegenposition auf: Ein short-Call (den er an den Verkäufer der Option ausliefert) und ein Long-Future, der an der Börse platziert wird.
Es ist also egal, ob die institutionellen Investoren sofort den Stecker ziehen oder ihre Positionen zunächst risikolos stellen: Die Nachfrage nach Nikkei-Futures steigt dramatisch, was unmittelbar zu steigenden Marktpreisen führt (und ggf. weitere Absicherungsmaßnahmen triggert).
Wenn die Preisentwicklung eines Leitindex über die Terminmärkte angeschoben wird, sind Fehlbewertungen der Indexkomponenten unausweichlich. Hochgewichtete Indexkomponenten erfahren starke Preisimpulse. Dieser Effekt wird durch Depotanpassungen passiver ETF’s nochmals verstärkt. In Japan drohen also ähnliche Verzerrungen der Marktbewertungen von Einzeltiteln und Indizes, wie in den USA.
Fazit. In Japan vollzieht sich gerade die nächste Blasenentfaltung. Marktpreise steigen stark. Ursache sind Preismanipulationen seitens der Terminmärkte. Die auffällige Ruhe der japanischen Börsenaufsicht könnte ein Hinweis auf eine konzertierte Aktion unter Einbeziehung der Regulierungsorgane sein.
Abschließend: Europa ist die letzte verbliebene Region mit halbwegs nachvollziehbar bewerteten Aktien. Es würde Hieronymus nicht wundern, wenn dieser Markt nun unter Beschuß geräte.
Zu Beginn der Kälteperiode stellte das texanische Verbundnetz 83 GW Leistung bereit. Das entsprach der antizipierten Nachfrage. Nach den Schneefällen und der ersten Kältenacht weren nur noch 45 GW verfügbar. FT. ↩
Die starken Preiserhöhungen wirken sich unmittelbar aus. Die EVU’s belasten die hinterlegten Kreditkarten bei entsprechendem Verbrauch mehrmals täglich. Die Medien berichten von Stromrechnungen von über 5.000 $ in der Woche pro Privathaushalt. ↩
Die kältebedingten Abschaltungen wirken sich über die Finanzmärkte global aus. So gehören z.B. RWE einige texanische Windparks. Das Management musste eingestehen, dass man (marktüblich) auf Enteisungsvorrichtungen verzichtet hatte und nun 15 % der eingeplanten Erträge abschreiben muss. Hinzu kommen Handelsfehler. RWE hatte den planmäßig zu erzeugenden Strom bereits an der Terminbörse veräußert. Als die Anlagen ausfielen, muste man den Strom teuer zukaufen. Für den zugekauften Strom zahlte man 9.000 $ pro MWh, die verbliebenen Windmühlen mussten den Stron vertragsgemäß zu 1,5 $ pro MWh liefern. RWE prognostiziert nun für 2021 einen operativen Verlust um bis zu 500 Mio € in der Sparte Regenerative Energieerzeugung. ↩