In dieser Artikelserie stellt Hieronymus die Basics des Krypto-Marktsegments vor.
Ein Token ist »Zeichen«, »Merkmal«, »Wertmarke«, »Gutschein« und »Spielstein« zugleich1. Der Krypto-Space besteht aus der Betriebssoftware für Blockchains, die ihrerseits mit Token aller Couleur bevölkert sind.
Das Spielgeld, mit dem im Monopoly die Schloßallee gekauft werden kann, ist ebenso ein Token, wie die Rabattmarke einer Payback-Karte. Ein 10 $-Monopoly-Token ist in der Realität genauso wertlos, wie ein Hotel auf der Schloßallee. Ganz anders die Rabattmarke. Sie ist zwar kein Zahlungsmittel, der Emittent garantiert dem Inhaber aber eine Verrechnung mit realen Dienstleistungen oder Waren. Token sind also keinesfalls Kinder des Krypto-Zeitalters. Allein der dezentrale Charakter der Blockchain erweitert die Einsatzgebiete.
Ein Token kann auch Vertragseigenschaften tragen. Schließlich handelt es sich beim Versprechen, gegen Vorlage der Rabattmarke einen Gegenstand auszuhändigen, um ein klassisches Vertragsverhältnis, bestehend aus Angebot und deckungsgleicher Annahme. Die Qualität oder der Wert eines Tokens steht und fällt mit der Glaubwürdigkeit des impliziten Vertragsversprechens.
Token definieren im Krypto-Space ein finanzielles Paralleluniversum.
Sie verankern die virtuelle Kryptowelt aber auch in der Realität.
Dank dieser Dualität sind Token kaum greifbar. Um eine weitere Analogie zu bemühen: Der Krypto-Space verhält sich zur konventionellen Welt wie die Quantenphysik zur newton’schen Physik. Viele Widerstände gegenüber der Krypto-Welt sind diesem, zunächst fremden, komplexen Zusammenhang geschuldet.
Moderne Blockchains erlauben den Nutzern, mit wenigen Befehlen für Standardanwendungen Token zu erzeugen. Smart-Contracts müssen nicht mehr aufwendig programmiert werden. Das öffnet die Tokenökonomie für eine allgemeine Verwendung im unternehmerischen Alltag.
Wie findet man einen Mitarbeiter für ein neues Projekt? Die Kryptowelt wird bekanntlich von vielen jungen Talenten bevölkert. Was liegt näher, als diese durch einen spielerischen Prozess auf die Vakanz aufmerksam zu machen?
Die Personalabteilung erstellt einen Bewerbungs-Token, mit beispielsweise einer Millionen Coins. Der hauseigene Metaverse-Auftritt wird um einen Bewerbungsraum erweitert. Dort finden potenzielle Bewerber eine Simulation der zukünftigen Aufgaben. Die Interessenten verbinden ihre Wallet mit der Simulation und erhalten ein Startguthaben gutgeschrieben.
Die Bewerber durchlaufen einen Parcours, wo sie für die Erfüllung der Aufgaben Coins benötigen. Bei erfolgreicher Lösung werden sie mit Bewerbungs-Coins belohnt, ungeeignete Bewerber können mangels Coins keine weiteren Aufgaben mehr lösen.
Die Bewerber mit den meisten Punkten werden zum Gespräch eingeladen. Nicht berücksichtigte Bewerber können die erworbenen Coins bei zukünftigen Bewerbungen verwenden oder auch Freunden weiterreichen, die sich bewerben möchten.
Diese Token haben nur einen ideellen Wert. Sie können nicht in reale Assets getauscht werden.
Eine Restaurantkette möchte seine Kundenbindung verbessern, die Kunden sollen ferner Freunde einladen. Das Marketingteam hat einen Etat für Incentives für einen Restaurantbesuch. Diesen gilt es mit maximaler Effizienz an die Zielgruppe auszuschütten.
Man beauftragt einen Dienstleister, ein Gewinnspiel auf der Blockchain zu programmieren. Als »Gewinn« winkt ein Rabatt auf bestimmte Speisen.
Nach dem Essen erhalten die Kunden einen QR-Code, der zum einmaligen Bezug von Restaurant-Coins berechtigt. Die Coins können gegen Speisen eingelöst oder bei einem Gewinnspiel vermehrt werden. Wer Freunde zum Spielen einlädt, hat doppelte Gewinnchancen. Je länger die Aktion dauert, desto geringer werden die Gewinnchancen, bis schließlich alle verfügbaren Rabatt-Coins ausgegeben wurden.
Dieses Beispiel führt eine einfache Tokenenomics ein. Es wird nur eine bestimmte Anzahl an Restaurant-Coins an die Gäste ausgegeben. Das Budget für die Spielerträge ist fix. Die ausgeschütteten Spielertäge verhalten sich proportional zum Restbudget. Diese Logik ist im Smart-Contract der Restaurant-Coins hinterlegt.
Ein Ingenieurbüro möchte ein Patent anmelden und das Produkt anschließend vermarkten. Man benötigt eine Finanzierung und entscheidet sich, neue Wege zu gehen. Schnell wird eine Web-Präsentation mit den Vorzügen der geplanten Patentierung erstellt und in sozialen Netzwerken gestreut.
Dann erzeugt man einen Patent-Token: Es gibt 100 Mio. Patentcoins, die zu einem Kurs von 1000 Coins für 1 USDC-Stablecoin ausgegeben werden. Das Ingenieurbüro selbst behält 25 Prozent der erzeugten Coins.
Nach der erfolgreichen Platzierung sind 100.000 USDC in der Wallet für die Projektentwicklung. Das Geld kann entweder ausgezahlt werden oder (aus steuerlichen Gründen) als Sicherheit für einen Bankkredit dienen.
Mit der Emission der Patentcoins hat das Ingenieurbüro die Eigentumsrechte an die Besitzer der Coins abgegeben. Über die vorgehaltene Sperrminorität behalten die Ingenieure die Kontrolle über die spätere Verwendung des Produkts.
Die Käufer der Patentcoins können den Token frei handeln und spekulieren, wann und zu welchen Preis das Patent verkauft werden kann. Sowohl das Ingenieurbüro wie auch die Tokenkäufer können Liquidity-Pools aufsetzen und während der Projektlaufzeit einen Zusatzertrag erzielen.
Diese Art der Projektfinanzierung ist modernes Crowd-Funding. Die Investoren erhalten exklusiven Zugang zu interessanten Zukunftsprojekten (und die Chance auf sehr hohe Erträge). Die Project-Coins sind, anders als beim klassischen Crowd-Funding, stets liquide handelbar. Sie werfen, bei einem aktivem Management der Liquititätspools, sogar eine attraktive Rendite ab. Der öffentliche Charakter der Projekt-Coins lädt förmlich zu einer öffentlichen Begleitung des Projektfortschritts ein. Das erhöht die Sichtbarkeit und höchstwahrscheinlich auch den späteren Verkaufserlös.
Die drei Fallbeispiele zeigen wichtige Merkmale der Tokenomics.
Der Ausgestaltung der Token sind keine Grenzen gesetzt. Sie können virtuelle Münzen (Coins) enthalten oder auch nicht (dann heißen sie Non Fungible Tokens (NFT)). Die Menge der Coins kann begrenzt sein (immutable Coins) oder variabel (mutable Coins). Sie können als Wertspeicher dienen (Security Token) oder als als Mitbestimmungsinstrument (Governance-Token). Sie können ideell sein (kein Tausch in andere Token möglich) oder Handelsobjekte im Kryptospace und in Relation zu FIAT-Währungen bewertet werden.
Gemeinsam ist ihnen, dass die Eigenschaften vor der Erstellung definiert werden. Sobald die Token auf der Blockchain abgelegt sind, kann nichts mehr verändert werden. Die Eigenschaften sind zudem immer öffentlich einsehbar. Es ist gute Praxis, die Tokenomics im Rahmen des White-Papers zu beschreiben. Seriöse Token-Emittenten veröffentlichen regelmäßige Rechenschaftsberichte, wo neben dem Projektstatus auch veranlasste Transaktionen veröffentlicht werden und mögliche Einnahmen aus dem Betrieb von Liquidity-Pools aufgeführt werden. .
(Letztes Update: 18. Februar 2022)
Übersetzung «Token» gemäß dict.leo.org ↩