Bewertungen von Unicorns überzogen?

Investments in Eigenkapital sind angesichts negativer Marktzinsen alternativlos, sagen viele. Besonders interessant erschienen in jüngerer Vergangenheit Beteiligungen an schnell wachsenden jungen Unternehmen. Nun streben diese Firmen an die Börsen. Die »Seed-Investoren« stehen vor dem Moment der Erkenntnis, möglicherweise einer kostspieligen Illusion verfallen zu sein.

(Stuttgart, 17.9.) Es ist amtlich: Der Börsengang von WeWork wird abgesagt. Man hoffte auf eine Marktkapitalisierung1 von 47 Milliarden US-Dollar. Nachdem der Emissionsprospekt erstellt war, präsentierte man dies stolz der verfassten Anlegerschar. Es stellte sich heraus, dass man maximal die Hälfte der angestrebten Marktkapitalisierung erzielen würde.

The We Company

Unter dem Label We Work war das StartUp 2014 angetreten, die Arbeitplätze der Zukunft zu definieren. Als Gegenentwurf einer langweiligen Desktop-Umgebung entwarfen renomierte Designer flexible, kreative Arbeitsplätze mit umfangreichen Services, die man kurzfristig mieten kann. Mit dieser Geschäftsidee überzeugte man recht erfolgreich Venture-Capitalgeber, insbesondere Softbank. Mit dem bereitgestellten Geld leaste man leerstehende Bürogebäude, dekorierte diese um und vermietet nun bevorzugt an StartUp-Unternehmen. Vor dem Börsengang erfolgte eine Umfirmierung nach The We Compamy.

Softbank

Die japanische Softbank präsentiert sich gern als die Berkshire Hathaway des 21. Jahrhunderts. Das Narrativ geht wie folgt:

Warren Buffet transformierte Berkshire Hathaway ab 1956 zu der erfolgreichsten Investmentgesellschaft des 20. Jahrhunderts. Masayosh Son macht das Gleiche mit der Softbank. Im 20. Jahrhundert war Buy & Hold von börsengelisteten multinationalen US-Unternehmen das Gebot der Stunde. Heute ist dies die Finanzierung von StartUp’s des Digitalen Zeitalters.

Der Vision Fund

Im Oktober 2016 legte Softbank gemeinsam mit dem saudi-arabischen Staatsfonds einen Monster-Venture-Capital-Fund auf. 60 Milliarden US-Dollar steuerte Saudi-Arabien bei, 25 Milliarden kamen von Softbank. Das Volumen insgesamt: 97.000.000.000 US-Dollar. Damit ging man dann auf Einkaufstour. Die größten Beteiligungen: Uber, WeWork, Slack, OYO und Didi Chuxing.

Nur Softbank hat Eigenkapital beigesteuert. Die externen Investoren zeichneten Hybridanleihen (preferred Shares), die vom Vision-Fund als Collateral für Bank-Darlehen verwendet werden. Es sind schließlich die japanischen Banken, die die Investments finanzieren und damit auch die Risiken tragen. Masayosh Son zieht alle Register – Die Investoren: Einflußreich, die angestrebte Investitionssumme: Gigantisch, das Finanierungsmodell: Innovativ, die Risiken: trägt der japanische Bankensektor.2

Anker-Investments

WeWork ist hoch verschuldet. Man geht langfristige Verbindlichkeiten ein und vermietet kurzfristig. Im ersten Halbjahr 2019 »verbrannte« WeWork 2,4 Mrd. $, so viel wie im gesamten Jahr 2018. Um potenzielle Wettbewerber fern zu halten, ist kein Ende der aggressiven Expansion absehbar. Die ausgegebenen Anleihen geben einen Hinweis auf die Geschäftsrisiken: Nach der Absage des Börsengangs stieg die Rendite für eine 2025 fällige Anleihe auf 8,7%3.

2017 investierte der Vision-Fund 4,4 Mrd. $ in WeWork. Nach der Finanzierungsrunde betrug der Unternehmenswert etwa 20 Mrd. $. Softbank (ohne den Vision-Fund) schoß im Jahr 2018 in zwei Tranchen nochmals 4 Mrd. $ nach. Der Unternehmenswert von WeWork verdoppelte sich hierdurch4. 2019 sollte ein Teil des Geldes zurück fließen. Hiefür wollte man ein kleines Aktienpaket öffentlich platzieren. Die potenziellen Aktienkäufer zeigten den Emissionsbanken jedoch die rote Karte. Ein Börsengang hätte sowohl beim Vision-Fund als auch bei der Softbank eine Bewertungsreduktion erfordert. Dies galt es um jeden Preis zu vermeiden.

Softbank hat aus dem Debakel des Börsengangs vom Uber gelernt. Auch dort war man mit der Hoffnung angetreten, durch eine geschickt kommunizierte Börsenemission den Marktwert pushen zu können. Statt dessen gelang es nur mittels intensiver Preispflege der beteiligten Banken, den Aktienpreis für zwei Monate auf dem Preisniveau des IPO’s zu stabilisieren. Der Marktwert von Uber hat sich über die Sommermonate von 82 Mrd. $ auf 58 Mrd. $ verringert. Das entspricht einem Buchwertverlust von 30 Prozent in einem halben Jahr.

Abschreibungsbedarf bei Venture Capital Engagements?

Das Jahr 2019 brachte eine wahre Flut an Börsengängen von neuen Internetunternehmen. Nur ganz wenige notieren seither oberhalb ihres Ausgabepreises. Von den sechs Börsengängen von Beteiligungen des Vision-Funds wurden nur zwei (Guardant Health, 10x Genomics) vom Markt positiv aufgenommen.

Für 2018 wies der Vision-Fund einen Bewertungsaufschlag von mehr als 25% aus. Viele hatten dies als Wunschdenken abgetan. Die jüngste Entwicklung ist natürlich Wasser auf deren Mühlen.

Panik verfrüht

Schaut man sich in den Weiten des Internets um, kann man die Häme und den Spott vieler Kommentatoren über die jüngsten Rückschläge von Softbank nicht übersehen. Nicht zu Unrecht nehmen viele an, dass die Börsengänge dazu dienen, die ausgewiesenen und größtenteils der Fantasie entsprungenen Bucherträge der vergangenen Jahre zu realisieren und anderen die Risiken aufzubürden. Dies haben die Marktteilnehmer verstanden und die Marktpreise der Firmen größtenteils deutlich nach unten korrigiert. Für Investoren im Vision-Fund sind die Abschreibungen verschmerzbar. Die Beteiligung über preferred Shares limitiert die möglichen Erträge auf sieben Prozent pro Jahr, solange das Ergebnis des Fonds positiv ist. Die sehr geschickte Konstruktion des Fonds hat die Investitionsrisiken größtenteils auf das japanische Bankensystem verlagert, das bekanntermaßen direkt von der Regierung gestützt wird.

Entsprechend sendet weder der Aktienkurs der Softbank akute Warnzeichen, noch die ausstehenden Anleihen. Im Ergebnis treten Masayosh Son und sein Team auf absehbare Zeit zwar nur Wasser anstatt riesige Erträge anzuhäufeln. Solange die Notenbanken die Geldschleusen weit geöffnet lassen, gehen vom Vision-Fund jedoch keine systemrelevanten Gefahren aus.

  1. Nach der Emission von Aktien bemisst sich die Marktkapitalisierung durch Extrapolation des erzielten Verkaufserlöses für den emittierten Anteil auf alle Geschäftsanteile. Je geringer der emittierte Anteil ist, desto sinnloser ist diese Kennzahl. 

  2. Ein Übersichtsartikel zum Vision-Fund findet sich in The meaning of the Vision Fund; Economist vom 12. Mai 2019  

  3. Zum Vergleich: Die Durchschnittsrendite für US-Junk-Bonds beträgt 4,8 Prozent. Der Renditeaufschlag von 100% für WeWork zeigt das Mißtrauen, dass der Markt dem Geschäftsmodeel entgegenbringt. 

  4. SoftBank investors brace for Vision Fund writedowns, Financial Times, 17.9.2019