Australien brennt – sell?

Die Buschfeuer in Australien dominieren die Nachrichten. Der Premierminister agiert ungeschickt. Außerdem ist er ein Leugner des Klimawandels. Ist dies ein Anlass den dortigen Markt zu shorten?

(Stuttgart, 4. Januar) Die australische Industrieproduktion schwächelt. Der Einkaufsmanagerindex (Manufacturing PMI) notiert mit 48,1 klar im Kontraktionsmodus (50 = neutral),Datenbasis: Nov. 2019. Die Stimmung im Sektor ist damit wieder auf dem Niveau des Jahres 2016 angekommen. Damals stellte die komplette Automobilproduktion ihren Betrieb ein. Die Produktionsstraßen von Ford, Toyota und GM schlossen kurz nacheinander. 200.000 Arbeitsplätze gingen verloren.

2016 war die Reaktion der Gesellschaft auf einen derart epochalen Einschnitt: Change.

  • Die Industrieproduktion ist mit 10 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung volkswirtschaftlich wenig bedeutend.
  • 60 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes wird im Bergbau generiert.
  • Als Industriestandort belegt das Land die Nummer 93 in der Liste der Staaten, eingerahmt von Senegal und Pakistan.

Maßnahme: Transformationsfonds

Die Regierung legte einen Transformationsfonds auf. Volumen: Eine Milliarde Australdollar. Das entspricht eines bundesdeutschen Hilfspakets von 1,5 Mrd. €. Damit wurden Mitarbeiterqualifizierungen, Neugründungen und Transformationsprozesse der Zulieferindustrie finanziert.

Erfolgsfaktor: Währung

Der Transformationsprozess gelang in einem Umfeld einer deutlichen Abwertung der Landeswährung: Noch 2011 kostete ein Australdollar einen US-Dollar. Zwischenzeitlich wertete die Währung auf 0,65 AUD/USD ab. Aktuell handelt das Währungspaar wieder bei 0,7. Das stützt die Exportfähigkeiten der neuen Nischenanbieter.

Erfolgsfaktor: Bildungssystem

Staatliche Unterstützung und eine schwache Währung bilden die eine Hälfte der Erfolgsstory. Human Resources die andere: Das hervorragende Hochschulsystem produziert einen steten Strom hoch motivierter und gut ausgebildeter Entrepreneure. Das Ergebnis: 2019 sind auf dem Gelände der ehemaligen Ford-Fertigung bereits wieder 1.000 Mitarbeiter beschäftigt. Sie fertigen HighTech-Reifen für Sportwagen. Die Firma Carbon Revolution entwickelte die Reifen mit Bordmitteln und baut nun sukzessive die Produktion aus. Anstatt mit veralteten Methoden in Fließbandarbeit Standard-PKW- zu bauen, produzieren die Mitarbeiter nun weltweit einzigartige HigTechProdukte. Das Geschäft ist profitabel und zukunftsfähig. Die Firma ist an der ASX gelistet.

Ähnliche Erfolgsgeschichten können viele der 215 ehemaligen Automobilzulieferer präsentieren. Weniger als ein Viertel der ehemaligen Zulieferer hat Insolvenz angemeldet. Alle übrigen erschlossen sich als Nischenanbieter Zukunftsfelder. 2019 hat die Regierung in Canberra einen weiteren Hilfsfonds auf den Weg gebracht. 350 Betriebe qualifizierten sich für ein 200 Millionen Australdollar Investitionspaket zur Modernisierung der Industrieproduktion im australischen Mittelstand.

Wiederholung im Umweltsektor?

Die Eingangsfrage war: Ist das aktuell desaströse Bild, dass die Welt angesichts des Mißmanagements in Canberra von Australien hat, ein Grund den Markt dort zu shorten, also auf eine weitere Zuspitzung im negativen Sinn zu wetten? Oder gibt es Hinweise, dass die Klima-Katastrophe einer Neuorientierung des Landes den Weg weist?

Die These 4 der Rauhnachtbetrachtungen legt den Finger in die Wunde: Der Klimawandel ist Realität und kann mit technischen Mitteln nicht mehr abgewendet werden. So zynisch es klingt: Die Buschbrände sind ein Weckruf, Technologien zu entwickeln, die ein Leben in derartigen Extremsituationen lebenswert machen. Das Land ist in dieser Hinsicht weiter, als die EU. Hieronymus wäre nicht erstaunt, wenn man diese Situation zur Entwicklung von Techniken zur Beherrschung extremer Umweltsituationen nutzen würde anstatt Maßnahmen zu ergreifen, den Klimawandel irgendwie einzudämmen.

Im Grunde ist dies auch die Strategie der EU. Der EU Green Deal zielt auf die (Weiter-)Entwicklung von Technologien ab, die den derzeitigen Lebensstil auch in naher Zukunft ermöglichen. Wegen der kritischeren Öffentlichkeit verkauft die EU-Kommission dies unter dem Label »Klimaschutz«. In Wahrheit ist dies ein Investitionsprogramm für eine Transformation der Industriegesellschaft für eine vier Grad wärmere Welt.

Deshalb muss derjenige, der den australischen Markt shortet, konsequenterweise auch für Europa den Daumen senken.